Zwischen Nebel und Erinnerung – Between Mist and Memory

Eine Szene am Königssee. Nebel, Wasser, Licht — und eine Gestalt, die aus dem Nichts auftaucht. Ein Moment zwischen Sichtbarkeit und Geheimnis, zwischen Auflösung und Widerstand. Ein Bild, das nicht erklärt werden will, sondern wirkt.

A scene at Lake Königssee. Mist, water, light — and a figure emerging from nowhere. A moment suspended between visibility and secrecy, between dissolution and resistance. An image that does not seek explanation, but impact.

Handcrafted Photography — no AI, no Photoshop. Aus der Serie „Nebel“. Neueste Arbeit © Christa Linossi 2025

Der Nebel kommuniziert mit dem Wasser. Die Sonne versucht, diesen Dialog zu durchbrechen — doch in diesem Moment erscheint eine schattenhafte Gestalt, begleitet von einem Felsen, wie aus dem Nichts. Wer ist sie? Was bringt sie mit? Vielleicht ist sie der Widerstand gegen die Auflösung, vielleicht die Erinnerung an etwas, das nicht vergeht. Eine Szene zwischen Licht und Schatten, zwischen Sichtbarkeit und Geheimnis.

The mist communicates with the water. The sun tries to break through this dialogue — yet in that very moment, a shadowy figure appears, accompanied by a rock, as if emerging from nowhere. Who is this presence? What does it carry? Perhaps it is resistance against dissolution, perhaps a memory that refuses to fade. A scene between light and shadow, between visibility and secrecy.

Die schönste Zeit des Jahres! The most wonderful time of the year!

Liebe Leserinnen und Leser, zum Jahresende möchte ich innehalten und mich herzlich für Ihre Treue bedanken. Ihre Resonanz und Ihr Interesse haben meinen Blog und mein digitales Atelier lebendig gemacht. Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest voller Wärme und Licht sowie einen guten Start ins Neue Jahr 2026 – möge es Ihnen neue Horizonte, Inspiration und Freude schenken.

Dear readers, as the year comes to a close, I want to pause and thank you sincerely for your loyalty. Your resonance and interest have brought my Blog and my digital studio to life. I wish you a Merry Christmas filled with warmth and light, and a joyful start into the New Year 2026 – may it bring you new horizons, inspiration, and happiness.

Warm regards, Christa Linossi

Ein Bild. Ein Blick. Ein Beginn.

Künstler:innen der Ausstellung: Dusko Samardzija, Ana Salatovic, Sumeja Serifovic, Antonia Grgic. Präsentierten im Rahmen des 21. Europe Summit in Salzburg.

„Puzzle der Hoffnung – gestaltet von Samardzija, Salatovic, Serifovic und Grgic. Foto: © Christa Linossi 2025

Das Institut der Regionen Europas (IRE) präsentierte im Rahmen des „21. Salzburg Europe Summits“ nicht nur Politik und Diskurs, sondern auch regionale europäische Kunst und Kultur – die Verbindung von Geschichte und Moderne, die Vielfalt Europas in ihrer ganzen Resonanz.

Obwohl die Veranstaltung längst vorbei ist, lohnt es sich, die Eindrücke mit Abstand zu betrachten. Gerade weil ihre Wirkung über den Moment hinausreicht. Manche Begegnungen gewinnen ihre Bedeutung erst im Nachhall – wie Stimmen, die sich in uns verdichten und zu einer eigenen Präsenz werden.

Nicht der Kongress berührte mich zuerst, sondern ein Bild. Ein einziges Werk, das lautlos sprach, zwischen all den Stimmen, Ansprachen und Programmpunkten.

Ich trat in den Raum, lächelte, wurde angelächelt – doch mein Blick blieb hängen. Nicht an den Persönlichkeiten, nicht an den Podien, sondern an einer Arbeit, die mich wie ein Magnet anzog. Während der ehemalige Landeshauptmann und Herr Samardzija diskutierten, lauschte ich – nicht nur ihren Worten, sondern dem Echo, das dieses Bild in mir auslöste.

„Politik trifft Poesie. Der ehemalige Landeshauptmann Schausberger spricht mit Dusko Samardzija. Er ist der Autor der Ausstellung ‚HOFFNUNG‘. Es ist ein Moment, in dem Kunst und Verantwortung sich begegnen.“ Foto: © Christa Linossi 2025

Der Summit war Bühne, Kulisse, Begegnungsort. Doch dieses Bild wurde mein Einstieg, mein Anker. Es war der Moment, in dem ich wusste: Ich bin nicht nur Zuschauerin – ich bin Teil davon.

Es war die 3. Kunstausstellung „Europäische Regionalkultur“ – Kunst aus der Region Brčko, HKD Napredak Brčko, Bosnien und Herzegowina. Europa bezieht seine Kraft aus der Vielfalt – aus Sprachen, Kulturen und Traditionen. In diesem Sinne präsentiert das IRE jedes Jahr im Rahmen des Salzburg Europe Summits regionale Kunst und Kultur.

Dieses Jahr 2025 waren es beeindruckende Ideen sowie visuelle und konzeptionelle Umsetzungen zum Generalthema der Konferenz: „Europa und Hoffnung“ – aus der Region Brčko in Bosnien und Herzegowina.

„Mirko Mečić, Präsident von Napredak, bei seiner Eröffnungsrede zur Ausstellung ‚HOFFNUNG‘ – ein Moment der kulturellen Würdigung und europäischer Verbundenheit.“ © Christa Linossi 2025

Autor der Ausstellung war Dusko Samardzija. Seine Inspiration entspringt einer zentralen Frage: Wie können Gemeinschaften aus der Vergangenheit lernen und zugleich eine gemeinsame Zukunft innerhalb der Europäischen Union gestalten?

Diese Untersuchung führte zu drei miteinander verwobenen Themen: EINHEIT, HOFFNUNG, ZEIT.

  • Einheit unterstreicht die Stärke der Vielfalt.
  • Hoffnung spiegelt die generative Kraft wider, die die kollektive Vorstellungskraft trägt.
  • Zeit erinnert uns daran, dass Geschichte sowohl Erbe als auch Chance ist.

Das Werk HOFFNUNG, das mich anzog, besteht aus neun Puzzleteilen. Es symbolisiert die Idee, dass jeder Einzelne zum Ganzen beiträgt. Die Teile zeigen Silhouetten und abstrakte Figuren – Hinweise auf fehlenden Dialog, Schmerz, aber auch auf die Sehnsucht nach Hoffnung.

Im Zentrum leuchtet ein Puzzleteil mit einem Auge – Metapher für Vision und den gemeinsamen Blick in die Zukunft der Europäischen Union. Die Farben strahlen Vielfalt, Koexistenz und Harmonie.

„Im Zentrum: ein Auge, das sieht, was war, was ist, was sein könnte. Umgeben von Farben, die Vielfalt nicht nur zeigen, sondern feiern.“ Foto: © Christa Linossi 2025
„Drei Ecken, drei Stimmen: Das Rathaus von Brčko ist ein architektonisches Gedächtnis (li oben). Das Gesicht der Frau symbolisiert europäische Werte (re oben). Die Save ist eine fließende Verbindung zwischen Kulturen (re unten). Diese Symbole sind eingebettet in ein Puzzle, das Einheit, Hoffnung und Zeit sichtbar macht.“ Foto: © Christa Linossi 2025

Rechts oben erscheint das Gesicht einer Frau – Personifizierung der Europäischen Union, ein universelles Symbol, das Vielfalt vereint und gemeinsame Werte widerspiegelt.

Links oben zeigt sich das Rathaus von Brčko, ein architektonisches Wahrzeichen, das den historischen und bürgerlichen Geist der Stadt verkörpert – Erinnerung an Widerstandskraft und kulturelle Bedeutung.

Rechts unten durchzieht die Save die Komposition – zugleich Grenze und Verbindung, Trennung und Strömung, die Gemeinden entlang ihrer Ufer vereint.

„Ein Bild. Ein Blick. Ein Beginn. – Eindrücke des 21. Salzburg Europe Summit, die im Nachhall weiterleben.“
„Dusko Samardzija vor dem Puzzle der Zukunft – wo Kunst und künstliche Intelligenz ein gemeinsames Auge öffnen.“ Foto: © Christa Linossi 2025

EINHEIT, HOFFNUNG und ZEIT bilden zusammen eine Triade von Werten, die ebenso persönlich wie kollektiv sind.

Die Gespräche und künstlerischen Arbeiten des Salzburg 21. Europe Summit sind längst verklungen, doch ihre Wirkung bleibt. Sie erinnern daran, dass Kultur nicht im Moment verharrt, sondern sich im Nachhall entfaltet.

Vielleicht ist darin ihre größte Stärke: dass sie uns Monate später noch bewegt – als stille Präsenz, die unser Denken und Fühlen trägt.

„Anfang. Ende. Neubeginn.“ Trilogie des Loslassens

„Heute öffne ich mein digitales Atelier und zeige meine neue Trilogie ‚Anfang und Ende‘ — drei Figuren im Kreis, drei Momente zwischen Abschied und Neubeginn.“

Trilogie „Anfang und Ende“ Drei Figuren, drei Kreise — ein Anfang, ein Ende, ein Neubeginn.

Die Trilogie zeigt den Rhythmus des Lebens in klaren, grafischen Szenen. Die Figur im Rot bewegt sich durch konzentrische Kreise, die sich drehen, wenden, wiederholen. Jeder Kreis ist zugleich Abschied und Aufbruch, jede Pose ein Moment zwischen Loslassen und Neubeginn.

Es ist immer wieder ein Anfang und ein Ende, egal welche Richtung man den Kreis auch dreht. Die Bilder sprechen von der Kraft der Wiederkehr, von der Transformation, die im Inneren beginnt und sich nach außen fortsetzt.

Eine visuelle Meditation über Bewegung, Veränderung und die stille Wahrheit, dass jeder Abschied zugleich den Keim eines Neubeginns trägt.*

Die Kreise sind Horizonte, die sich öffnen und schließen. Das Rot pulsiert wie ein Herzschlag, ein Echo der Liebe und der Energie des Lebens. Die Figur bewegt sich wie ein Tänzer im Kosmos, gefangen im Rhythmus von Abschied und Neubeginn.

Jeder Kreis ist zugleich Grenze und Möglichkeit, jede Drehung ein Atemzug zwischen Loslassen und Wiederkehr. So wird die Trilogie zu einer Meditation über den endlosen Zyklus: Anfang und Ende, immer wieder, in jeder Richtung.

TriOlogy “Beginning and Ending”

Three figures, three circles — a beginning, an ending, a renewal.

The trilogy reveals the rhythm of life in clear, graphic scenes. The figure in red moves through concentric circles that turn, shift, and repeat. Each circle is both farewell and departure, each pose a moment between letting go and beginning anew.

It is always a beginning and an ending, no matter which way the circle turns. The images speak of the power of return, of transformation that begins within and unfolds outward.

A visual meditation on movement, change, and the quiet truth that every farewell carries the seed of renewal.

The circles are horizons that open and close. The red pulses like a heartbeat, an echo of love and the energy of life. The figure moves like a dancer in the cosmos, caught in the rhythm of farewell and renewal.

Each circle is both boundary and possibility, each rotation a breath between release and return. Thus the trilogy becomes a meditation on the endless cycle: beginning and ending, again and again, in every direction.

Ein Klang öffnet die Berge – Adventsingen zwischen Licht, Zweifel und Hoffnung

Festlicher Auftakt im Großen Festspielhaus: Das Salzburger Adventsingen 2025 entfaltet sich vor dem Dachsteinmassiv – eine Szene zwischen alpiner Weite und biblischer Intimität. Foto: © Rudi Gigler 2025

Zwischen Licht und Zweifel öffnet sich ein Klangraum des Staunens.

Dies ist mein Blick als Journalistin – präzise, beobachtend, berichtend. Zugleich ist es meine Resonanz als Besucherin – fragend, berührt, staunend. Das Salzburger Adventsingen im Festspielhaus zeigt sich nicht nur als Aufführung, sondern auch als Spiegel, in dem sich Tradition und persönliche Erfahrung begegnen.

Auftakt

Die Adventszeit hat begonnen, Christkindlmärkte öffnen ihre Pforten, Glühweinstände laden zum Verweilen ein. Im Salzburger Festspielhaus startete am 29. November die Premiere des berühmten Salzburger Adventsingens – ein Fixpunkt, der Besucher aus Nah und Fern anzieht.

Bühnenbild des Salzburger Adventsingens 2025 im Großen Festspielhaus: alpine Weite trifft biblische Intimität – ein Dorf zwischen Dachstein und Bethlehem. Bühnenbild und Foto: Andreas Ivancsics 2025

Das Bühnenbild

Das karge Dachsteinmassiv liegt wie ein aufgeschlagenes Buch vor uns. Ein alpines Echo des biblischen Judäa, gemalt in Licht und Kulisse. Ich sah es nicht nur als Zuschauerin, sondern auch mit dem Wissen um seine Entstehung – und spürte, wie Weite und Intimität miteinander kontrastieren. Ich saß im Zuschauerraum – nicht nur als Journalistin, sondern auch mit einem besonderen Blick auf das Bühnenbild, da ich in Gosau seine Entstehung miterlebt habe. Als Zuschauerin spürt man: hier wird nicht nur gespielt, sondern auch gedeutet – die Weite des Massivs kontrastiert mit der Intimität der Geschichte.

Josef und Maria

Die Inszenierung ist ruhig, ohne Aktionismus. Josef wirkt verstört, Maria ist schwanger – nicht von ihm. Die Kirche nennt es ein Wunder, doch sein Blick erzählt von Zweifel und Schmerz. Wie kann ein Mann, der nicht Vater sein darf, dennoch Vater werden?

Der blinde Hirte

Der blinde Hirte mit seinem Hirtenkindbegleiter – ein Moment des Hörens, Sehens und Erinnerns. Zwischen Steinwand und Horn entsteht ein Raum für Fragen, Herkunft und Herz. Foto: © Rudi Gigler 2025

Er sieht mit dem Herzen, erkennt, was Augen nicht sehen. Seine Kinder begleiten ihn, fragen nach Herkunft, und plötzlich wandert das Evangelium durch alpine Landschaften – Bergschuhe, bäuerliche Tracht, als würde Bethlehem im Dachstein erscheinen.

Klang statt Bild

Die Hirtenkinder spielen den Pascher – ein rhythmischer Ruf ins Diesseits. Dann öffnet der Andachtsjodler den Himmel: kein Bild, sondern ein Klang bleibt zurück. Foto: © Rudi Gigler 2025

Das Kind bleibt unsichtbar, doch Engel, Hirtenkinder, Pascher und Jodler kreisen um die Leerstelle. Der rhythmische Pascher holt die Szene ins Diesseits, der berühmte Andachtsjodler öffnet die Grenze zwischen Bühne und Himmel. Das Adventsingen endet nicht mit einem Bild, sondern mit einem Klang – ein Raum der Fragen und des Staunens.

Eindruck

Das Bühnenbild stark, die Aufführung ruhig, der blinde Hirte berührend. Doch die Fragen bleiben – und vielleicht ist das das Wichtigste: Nicht nur sehen, sondern auch fragen.

Musikalisch begleitet von Salzburger Saitenmusik, Geigenmusik, Juvavum Brass, Blattbläser-Ensemble, Solist*innen Eva Schinwald, Elisabeth Eder-Marböcl, Johannes Forster, den Ensembles Hohes C und CMM, dem Salzburger Volksliedchor und den Hirtenkindern.

Prädikat: Sehenswert. Die Aufführungen finden am 2. und 3. Adventwochenende jeweils von Freitag bis Montag statt. Tickets: http://www.salzburgeradventsingen.at

„Rupertinum Salzburg: Bilder, Körper, Klang – ein sehenswertes Eintauchen“

EVERY BODY! WAS KÖRPER ERZÄHLEN

„Ein liegender Körper vor steinernen Säulen – VALIE EXPORTs Blick auf Macht, Präsenz und Verletzlichkeit. Fotografiert im Rupertinum von Christa Linossi. (Titel unbestätigt, Zuschreibung nach Bildsprache und Ausstellungskontext)“

Das Rupertinum in Salzburg präsentiert mit „Every Body!“ eine Ausstellung zur Fotografie und Medienkunst von 1945 bis heute. Was erzählen Körper? Jede Betrachterin, jeder Betrachter bringt eine eigene Sichtweise mit. Fotos können Erinnerungen, Emotionen und Geschichte transportieren. In einer Zeit, in der wir unaufhörlich fotografieren, stellt sich hier die Frage: Was macht ein gutes Foto wirklich aus?

Anahita Razmi – Roof Piece Tehran (2011) Eine Figur in Rot – Posen auf der Terrasse, ein Blick, der den Raum dominiert. Foto: © Christa Linossi 2025

Schon beim Eintritt fiel mein Blick sofort auf die Rückwand des Ausstellungsraumes: eine Videoleinwand der Künstlerin Anahita Razmi (Roof Piece Tehran, 2011). Eine Person in Rot posiert in verschiedenen Posen auf einer Terrasse – ein Bild, das den Blick unweigerlich fesselt. Links und rechts im Raum hängen ebenfalls starke Arbeiten: Fotografien von Ernst Haas aus der Serie Homecoming Prisoners. Vienna 1945–1948. Sie zeigen Kriegsheimkehrer, auf der gegenüberliegenden Seite Porträts von Männern – vielleicht ebenfalls Heimkehrer.

Ein Foto hat mich besonders berührt: Ein von Bomben zerstörtes Haus, Fenster fehlen, Schutt türmt sich vor der Fassade. Auf dem Gehsteig geht eine alte Frau, gebeugt, gezeichnet von Trauer und Sorgen. Dieses Bild ruft unweigerlich aktuelle Kriegsszenarien ins Gedächtnis – Ukraine, Gaza – und zeigt, wie sehr Geschichte und Gegenwart ineinander greifen.

Ernst Haas – Homecoming Prisoners. Vienna 1945–1948 Ein zerstörtes Haus, eine alte Frau im Schutt – Erinnerung, die sich mit Gegenwart verbindet. Foto: Christa Linossi 2025

Ein anderes Foto von Haas dokumentiert einen Heimkehrer mit Prothese im Rucksack, Krücken in der Hand, wartend an einer Haltestelle. Die Sehnsucht nach dem Heimkommen, die Freude, Frau und Kind lebend wiederzusehen – und zugleich die Last der Kriegsverletzungen. Diese Bilder werfen Fragen auf: Wie lebt man weiter nach solcher Erfahrung? Wie viel Aufarbeitung braucht es, um das Geschehene zu bewältigen?

Ernst Haas – Kriegsheimkehrer mit Prothese Ein Mann mit Krücken, Prothese im Rucksack – Heimkehr und Verletzung zugleich Foto: Christa Linossi 2025

Wir sind hochintelligente Wesen – und doch zerstören wir pausenlos. Ob in Kriegen oder in der Natur. Warum? Warum ist Macht und Profit wichtiger als Menschlichkeit? Die Waffenindustrie, einer der profitabelsten Wirtschaftszweige, bleibt bestehen – und zerstört nebenbei am meisten.

Weiter schlendernd stoße ich auf eine Fotoarbeit von Brueckl/Schmoll aus der Serie Im Garten Eden (1998). Drei chromogene Abzüge zeigen eine nackte Frau und einen nackten Mann, beide im Spiegel, beide verdecken ihre Scham. Ein Szenario wie Adam und Eva nach dem Sündenfall – verlegt in ein einfaches Badezimmer. Besonders eindrücklich: der selbstbewusste Blick der Frau in den Spiegel, der zugleich die Betrachtenden direkt ansieht.

Brueckl/Schmoll – Im Garten Eden (1998) Adam und Eva im Badezimmer – Spiegel, Scham, Selbstbewusstsein. Foto: Christa Linossi 2025

Ich habe hier nur zwei Arbeiten herausgegriffen, doch der Weg führt weiter – in den zweiten Stock, zur Ausstellung „Im Bann der Zauberflöte. Slevogt – Kokoschka – Hutter – von Huene“.

Mozarts Zauberflöte zählt zu den populärsten Werken des Musiktheaters. Zum 270. Geburtstag des Komponisten zeigt das Rupertinum vier Künstlerpersönlichkeiten, die sich auf ganz unterschiedliche Weise inspirieren ließen.

Wolfgang Hutter, Pagagenowald 1974, Farblithografie Blatt 10 der Mappe „Zauberflöte“ Museum der Moderne Salzburg; Bildrecht; Wien 2025 Foto: Hubert Auer
  • Wolfgang Hutter entwarf farbenprächtige Bühnenwelten für das Grazer Opernhaus – exotische Pflanzen, Zauberwelten. Die Umsetzung scheiterte, doch seine Grafikmappe mit Lithografien und Radierungen blieb als Zeugnis.
  • Stephan von Huene wiederum schuf eine vierteilige Klangskulptur, die Seh- und Hörgewohnheiten infrage stellt. Sie lädt dazu ein, die eigene Zauberflöte zu erleben. Seine Frau Petra Kipphoff schenkte das Werk 2024 dem Museum der Moderne Salzburg.
Stephan von Huene „DIE ZAUBERFLÖTE 1985“ vierteilige Klangskulptur; Museum der Moderne Salzburg Schenkung Petra Kipphoff von Huene Foto: Doris Wild

Die Ausstellung zeigt 41 Werke, die verdeutlichen, wie lebendig und vielschichtig die Zauberflöte bis heute wirkt – als visuelles und emotionales Erlebnis.

Persönliches Fazit

Mein Besuch im Rupertinum war ein Eintauchen in zwei Welten. Die Fotografie stellt Fragen nach Erinnerung und Gegenwart. Die Malerei und Grafik zur Zauberflöte verbindet Fantasie und Klang. Beide Medien haben ihre eigene Ausdrucksweise – und beide sind sehenswert.

Wer sich Zeit nimmt, kann die Bilder wirken lassen. Man kann Neues entdecken. Vergangenes erinnern ist ebenfalls möglich. Danach kann man vielleicht bei einem Glühwein am Salzburger Christkindlmarkt den Nachhall der Ausstellung weiterklingen lassen.

Salzburgs ewiger Jedermann: ein Spiel fürs Heute

Daniela Ziegler, Philipp Hochmair, Roxane Duran und Sylvie Rohrer – die neue Jedermann-Besetzung 2026. Foto: Julia Stix Jedermanns neue Szene: Mutter, Buhlschaft, Werke und der Mann im Zentrum

Drei Frauen schreiben das neue Kapitel im Leben des Jedermann 2026

Die Katze ist aus dem Sack.

Ende 2025 ist Jedermann wieder Gesprächsthema. In Wien wurde diese Woche bei einer Pressekonferenz enthüllt: Drei neue Frauen treten 2026 in das Leben des Jedermann.

  • Roxane Duran als Buhlschaft
  • Sylvie Rohrer als „Armer Nachbar/Werke“
  • Daniela Ziegler als Jedermanns Mutter

„Das Spiel beginnt von Neuem – und Salzburg schreibt weiter an seiner Legende.“

Ein Stück mit Geschichte

Seit seiner Uraufführung 1911 in Berlin – damals ein Misserfolg – und der legendären Premiere 1920 auf dem Salzburger Domplatz sorgt Hugo von Hofmannsthals Stück bis heute für Furore. Viele Jedermänner und Buhlschaften haben diese Rollen verkörpert.

Philipp Hochmair als Jedermann

Seit 2024 spielt Philipp Hochmair den Jedermann – eine Rolle, die ihm wie auf den Leib geschrieben ist. Schon lange beschäftigt er sich mit dem Stoff, unter anderem in seiner eigenen Jedermann Reloaded-Show. Für viele war es unverständlich, dass er nicht sofort nach Tobias Moretti übernommen hat. Hochmair brachte den Hype zurück und ließ die Kassen klingeln.

Roxane Duran (Buhlschaft) und Philipp Hochmair (Jedermann); Foto: Julia Stix Ein Moment zwischen Verführung und Vergänglichkeit – Jedermann und seine Buhlschaft im Bild

Drei neue Frauen auf der Bühne

Nun also drei neue Frauen. Warum dieser Wechsel? War es künstlerische Notwendigkeit oder dramaturgische Frische? Regisseur Robert Carsen, der das Stück ins 21. Jahrhundert geführt hat, erklärt:

„Ich freue mich außerordentlich, nächsten Sommer drei herausragende, ebenso talentierte wie kreative Schauspielerinnen neu in der Besetzung des Jedermann willkommen zu heißen: Daniela Ziegler, Roxane Duran und Sylvie Rohrer…“

Stimmen aus dem Ensemble

Auch Philipp Hochmair blickt erwartungsvoll auf die neue Besetzung:

„Ich freue mich sehr, 2026 wieder auf den Domplatz zurückzukehren und zusammen mit den neuen Kolleginnen den Jedermann und die gelungene Inszenierung von Robert Carsen weiterzuspielen.“

Besonders gespannt darf man auf Daniela Ziegler sein, die als Jedermanns Mutter debütiert:

„Jedermann ist Salzburgs Ritual – und zugleich Spiegel unserer Gegenwart. Zwischen Tradition und Neuinterpretation entfacht Philipp Hochmair einen Moment, der zeigt: Das Spiel lebt, heute mehr denn je.“
Daniela Ziegler (Jedermanns Mutter) © SF/Julia Stix Ein neues Gesicht für eine alte Rolle – Jedermanns Mutter tritt ins Licht.

„Es ist mir eine große Freude, mit meinem Debüt bei den Salzburger Festspielen Teil der langen und bedeutenden Tradition von Hofmannsthals Gründungsstück zu sein…“

Warum lieben die Salzburger ihren Jedermann?

Die Salzburger lieben ihren Jedermann – seit über 100 Jahren. Vielleicht läuft er noch weitere hundert Jahre? Eine spannende Frage wäre, warum dieses Stück so tief im Herzen der Stadt verankert ist. Als Steirerin kann ich es nicht ganz nachvollziehen – aber die Begeisterung ist unübersehbar.

Eine spannende Frage bleibt: warum ist dieses Stück so tief im Herzen der Stadt verankert? Vielleicht weil „Jede Premiere mit einem weiteren mutigen Schritt beginnt.“

Salzburger Christkindlmarkt 2025 – Wo Tradition zur Weltpremiere wird

Salzburger Christkindlmarkt 2025 – Tradition als Weltpremiere Salzburger Christkindlmarkt am Domplatz mit Festungsblick: Salzburg – Foto: Neumayr

Ein Wimpernschlag bis Weihnachten

Kaum war der Spätsommer vorbei, schon ist November da – und mit ihm die vorweihnachtliche Zeit. Ein Jahr, nur ein Wimpernschlag? Rainhard Fendrich singt davon, und der Salzburger Christkindlmarkt antwortet mit klingender Tradition. Vom 20. November bis 31. Dezember 2025 lädt einer der charmantesten Weihnachtsmärkte Europas zum Bummeln ein.

Ursprünge und Brauchtum

Die Wurzeln reichen bis ins Jahr 1491, als der „Tandlmarkt“ entstand. Heute gehört der Salzburger Christkindlmarkt zu den schönsten Europas. Sein Schwerpunkt: Brauchtum und alte Traditionen, sichtbar in handwerklichen Erzeugnissen und regionaler Authentizität.

Klangwelten am Domplatz

2025 steht der Markt unter dem Motto „Klangwelten des Salzburger Christkindlmarktes“. Glocken der Perchten und Krampusse, Auftritte von Brauchtumsgruppen, Chören, Kinderchören und Turmbläsern prägen die Adventswochen. Ein wahres Klangerlebnis empfängt die Besucher:innen.

Kulinarik und Handwerkskunst

Neben Musik locken kulinarische Köstlichkeiten und kunstvolle Geschenkideen: Christbaumkugeln, Keramik, Gewürzsträuße, duftende Seifen, wertvolle Kerzen und vieles mehr. 96 traditionelle grüne Hütten verwandeln den Markt in ein Paradies für Genießer:innen und Sammler:innen.

Internationale Strahlkraft

Der Salzburger Christkindlmarkt ist längst weltbekannt. Bei der Weltausstellung in Japan präsentierte er sich im Österreich-Pavillon – Kronprinzessin Kiko von Akishino äußerte sogar den Wunsch, ihn persönlich zu besuchen. Die britische Times kürte ihn zu einem der schönsten Märkte Europas, die Boston Globe nannte ihn einen Geheimtipp.

Eiszauber am Mozartplatz

Ein weiteres Highlight: der Eiszauber am Mozartplatz. Seit 20 Jahren besteht die Eisfläche, seit vier Jahren organisiert vom Christkindlmarkt. Bis zum 31. Jänner 2026 ist sie täglich geöffnet. 2024 hinterließen rund 20.000 Eisläufer:innen ihre Spuren – ein Wintermärchen mitten in der Stadt.

Silvester und Neujahr

Zum Jahreswechsel verwandelt sich der Christkindlmarkt in einen Silvestermarkt mit Musik, Tanz, Unterhaltung und großem Feuerwerk. Am Neujahrstag heißt es traditionell „Alles Walzer“ – ein stimmungsvoller Auftakt für das neue Jahr in der Altstadt.

Stimmen aus Salzburg

Pressekonferenz zum Salzburger Christkindlmarkt 2025
Drei Stimmen, ein Markt: Salzburg inszeniert Tradition als lebendige Bühne von li.nach re.: Bernhard Auinger, Bürgermeister der Stadt Salzburg – Andrea Stockhammer, Direktorin des DomQuartier Salzburg – Wolfgang Haider, Obmann des Vereins Salzburger Christkindlmarkt/ Foto: © Christa Linossi 2025

Bürgermeister Bernhard Auinger betont: „Der Salzburger Christkindlmarkt ist für die Salzburger:innen seit jeher ein vertrauter und verlässlicher Treffpunkt in der Vorweihnachtszeit. Ein besonderes Erlebnis nicht nur für die Salzburger:innen, sondern ebenso für Gäste aus aller Welt.“

Ein Fest der Sinne

Besuchen Sie den Salzburger Christkindlmarkt und erleben Sie unvergessliche Momente in einer zauberhaften Kulisse – ein Fest der Tradition, der Klänge und der Begegnung.

Folgen Sie dem Christkindlmarkt: www,christkindlmarkt.co.at, http://www.facebook.com/SalzburgerChristkindlmarkt, http://www.instagram.com/salzburgerchristkindlmarkt

Rebellion im Bild: Der Bauernkrieg zwischen Kunst und Ideologie

Wie Bilder den Aufstand verklären – und Diktaturen ihn für ihre Macht inszenieren

Zwischen Baugerüsten und barocker Pracht: Der Bauernkrieg als Sonderausstellung im Nordoratorium. Foto: © Christa Linossi 2025

Geschichte als Inszenierung: Im DomQuartier wird Geschichte nicht bloß gezeigt – sie wird inszeniert. 500 Jahre Bauernkrieg, ein Aufstand, der Salzburg erschütterte, tritt hier erneut auf die Bühne. Zwischen barocker Pracht und historischen Dokumenten entfaltet sich ein Drama von Macht und Widerstand, das bis heute nachhallt.

Die Bühne der Baugerüste: Schon beim Betreten des Ausstellungsraums glaubt man, auf einer Baustelle gelandet zu sein: Baugerüste durchziehen die Räume, auf ihnen sind die Gemälde installiert. Doch es ist keine Baustelle – vielmehr eine bewusst gewählte Kulisse, die den Bauernaufstand sichtbar macht.

Kunst auf Gerüsten – der Bauernkrieg tritt zwischen Stahl und Stuck erneut auf die Bühne. Foto: © Christa Linossi 2025

Der große Bauernkrieg (1524–1526): Zwischen 1524 und 1526 erhoben sich Hunderttausende Bauern, Handwerker und Bürger gegen Adel und Klerus. Sie kämpften für Gerechtigkeit, religiöse Freiheit und soziale Teilhabe – und wurden blutig niedergeschlagen. Auch Salzburg erlebte 1525 seinen Höhepunkt: Der Aufstand brachte das geistliche Fürstentum an den Rand des Zusammenbruchs.

500 Jahre später erinnert das Salzburg Museum mit einer Gastspiel-Ausstellung im Nordoratorium des Doms an diese dramatische Zeit. Sie ist in sieben Kapiteln gegliedert, jedes Bild und jeder Text spricht für sich.

 Persönliche Erinnerung: Ganghofer und mein Vater:  Eine persönliche Erinnerung begleitet meinen Rundgang: Mit 18 erzählte mir mein Vater von den Bauernaufständen und von Napoleon, der ebenfalls in Salzburg einfiel. Er gab mir Ludwig Ganghofers Roman Der Ochsenkrieg (1914) – ein literarisches Echo bäuerlicher Konflikte im Berchtesgadener Land. Ganghofer schildert einen Streit um Weiderechte, der sich zu einem Aufstand entwickelt: persönliche Tragödien, Gewalt, Krieg gegen die Obrigkeit. Mit präziser Sprache entwirft er ein eindrucksvolles Bild der bäuerlichen Lebenswelt und ihrer Unterdrückung.

Ein Aufstand in Etappen – die Timeline als Taktgeber der Revolte Foto: © Christa Linossi 2025

Historische Wendepunkte für Salzburg: Die Ausstellung selbst führt zurück zu den historischen Grundlagen. Karten und Timelines verorten den Salzburger Bauernkrieg im europäischen Kontext. Für Salzburg war er ein Wendepunkt – hätten die Aufständischen 1525/26 obsiegt und Fürsterzbischof Matthäus Lang von Wellenburg gestürzt, wäre Salzburg wohl Teil Bayerns geworden. Stattdessen blieb es noch fast 300 Jahre ein geistliches Fürstentum, bis es nach den napoleonischen Kriegen zu Österreich kam.

Bauernkrieg III, Alfred Hrdlicka (1928–2009), 1980. Radierung, Ätzung auf Kupfer, Reproduktion. ALBERTINA WIEN/ Ein Aufstand in Linien – Hrdlickas Kupferätzung als Echo der Revolte Foto: © Christa Linossi 2025

Künstlerische Rezeptionsgeschichte: Ein Kapitel widmet sich der künstlerischen Rezeptionsgeschichte: Albin Egger-Lienz mit seinem „Totentanz“, Käthe Kollwitz mit dem Zyklus „Bauernkrieg“, Alfred Hrdlicka mit Radierungen aus den 1980er Jahren. Selbst Albrecht Dürer ist vertreten – mit einem Entwurf von 1525, der wie ein Denkmal für den Aufstand wirkt. Die Ausstellung will nicht nur verstanden, sondern erlebt werden. Architektenschränke bergen Zeichnungen und Kunstschätze, die sich wie geheime Szenen öffnen.

Echo ins 21. Jahrhundert: Und sie wirft einen Blick ins Heute: Der Bauernaufstand lässt sich 1:1 ins 21. Jahrhundert übertragen. Damals Mistgabeln und Werkzeuge, heute Cyberangriffe und Drohnen. Dasselbe Thema – andere Gerätschaften.

Der letzte Takt: Geschichte als Gegenwart, Erinnerung als Bewegung. Foto: © Christa Linossi 2025

Geschichte als Gegenwart: 500 Jahre später ist der Bauernkrieg nicht vorbei. Im DomQuartier wird Geschichte nicht verstaubt, sondern als Echo neu aufgeführt. Wer Salzburg verstehen will, sollte dieses Echo hören.

LENTOS-MUSEUM Linz zeigt: „MÄDCHEN*SEIN“ – Rollenbilder zwischen Heiligenikonografie und Selfies!

AUSSTELLUNG MÄDCHEN*SEIN „Mädchen*sein im Blick – zwischen Verletzlichkeit und Selbstbehauptung. Foto: Walkobinger“Foto: ©Violetta-Wakolbinger

Unlängst besuchte ich die Ausstellung „Mädchen*sein!?“* – ein Titel, der zunächst Fragen aufwarf. Geht es um Mädchen? Um Rollenbilder? Ich ließ die Werke wirken, schlenderte durch die Räume, und beim zweiten Durchgang begann das Nachdenken: Mädchen*sein* erscheint hier als Wechselspiel zwischen kunsthistorischer Tradition und aktueller Gesellschaftspolitik.

Heute sollen Mädchen stark, selbstbewusst, sexy, schlau, schlank, aufgeklärt, gebildet, familien- und berufsorientiert, heterosexuell, weiblich und zugleich cool und unabhängig sein. Ein Idealbild wie ein Korsett – glänzend, eng, kaum atmend.

Die Schieflage dieser Wahrnehmung zeigt sich in historischen Bildtraditionen: Heiligenbilder, Märchen, Legenden. Zwischen Heiligenikonografie und Selfies wird deutlich: Mädchensein* ist keine feste Rolle, sondern ein ständiges Aushandeln.

Besonders irritierend waren die Arbeiten von Iris Legendre (*1988, Versailles, lebt in London):

Das Foto der Künstlerin Iris Legendre: „Druck, Last, Schein“ – fotografische Interventionen, festgehalten von Christa Linossi.“
  • Ein altes Foto eines kleinen Mädchens mit Puppe, dessen Kopf von Nadeln durchstochen ist – verletzlich und präsent zugleich. Symbol für Druck? Für Schmerz? Für gesellschaftliche Erwartungen?
  • Eine Familienszene, in der das sitzende Mädchen in der Mitte mit schweren Steinen bedeckt ist – sichtbar bleiben nur Hände und Füße. Warum diese Last? Schutz, Bedrohung, Erfahrung? Die Steine wirken wie ein Bild für das Unsichtbarmachen, für die Schwere, die auf Mädchen* lasten kann.
  • Ein weiteres Foto zeigt drei Mädchen in weißen Kleidern, das mittlere ohne Gesicht, ersetzt durch einen Schein. Scheinheiligkeit?

Diese Arbeiten bleiben Rätsel, Frage Bilder, die nicht loslassen.

Auch Lucy Glendinning (*1964, Großbritannien) provoziert: Ein Baby, gekreuzigt an der Wand, umrankt von Weinreben. Aufschrei? Symbol für die Last des Lebens von Geburt an? Fragen, die offen bleiben.

Die Arbeit der Künstlerin Lucy Glendinning: Geburt als Kreuzweg: Ein Baby hängt wie gekreuzigt, umrankt von Weinreben. Ist dies ein Aufschrei gegen die Last des Lebens von Anfang an? Foto: © Christa Linossi

Neben den irritierenden Positionen der Ausstellung steht das Werk „Der Faun und das Mädchen“ von Wolfgang Hutter (1928–2014, Wien), einem Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Diese Bewegung ist bekannt für traumhafte Bildwelten, symbolische Figuren und eine detailreiche, oft surreal anmutende Malweise. Hutters Arbeiten verbinden Mythologie, Märchen und persönliche Visionen zu poetischen Szenarien, die zwischen Realität und Imagination oszillieren.

Das Werk des Künstler Wolfgang Hutter: ‚Der Faun und das Mädchen‘ – Mythos und Begegnung. Foto: © Christa Linossi“

In „Der Faun und das Mädchen“ greift Hutter die Figur des Fauns auf – ein Mischwesen aus Mensch und Tier, Symbol für Natur, Fruchtbarkeit und Trieb. Doch statt ihn als lüsternen Waldgeist darzustellen, verwandelt Hutter den Faun in ein baumartiges Wesen, das mit der Umgebung verwurzelt scheint. Das Mädchen steht ihm gegenüber, als Kontrast oder Spiegel – vielleicht als Eva, vielleicht als Muse, vielleicht als selbstbestimmte Figur im Dialog mit dem Mythos.

Die Szene wirkt wie ein modernes Paradiesbild, das nicht verführt, sondern fragt: Was bedeutet Weiblichkeit im Spannungsfeld von Natur, Mythos und Selbstbild?

Die Ausstellung spannt einen weiten Bogen: von frühen Repräsentationen bis zur heutigen Selbstbebilderung im digitalen Zeitalter. Sie ist gegliedert in Kapitel wie Mädchensein, Geschichten erzählen, Arbeiterinsein, Porträtiert werden, Sad girls, Rebellinsein, Grow it – show it, Pionierinsein.

Besonders gelungen: „Das Zimmer“, ein Raum für Experimente, Workshops und kollektive Interventionen, etwa mit Schüler*innen im Februar 2026.

Die Ausstellung „Mädchensein!?“ im Lentos Museum ist mehr als eine Schau über Rollenbilder – sie ist ein Spiegel gesellschaftlicher Erwartungen und zugleich ein Fragenraum. Zwischen historischen Bildtraditionen und zeitgenössischen Interventionen entfaltet sich ein Panorama von Verletzlichkeit, Last und Selbstbehauptung. Werke wie jene von Iris Legendre oder Lucy Glendinning irritieren und provozieren, während Wolfgang Hutter mit seinem phantastischen Realismus einen mythologischen Dialog eröffnet.

Am Ende bleibt: Mädchensein ist keine feste Rolle, sondern ein ständiges Aushandeln – zwischen Tradition und Gegenwart, zwischen Fremdbild und Selbstdefinition. Die Ausstellung macht diese Spannungen sichtbar und lädt Besucher:innen ein, sich selbst darin zu erkennen.

Sie ist klar strukturiert, mit präzisen Kapiteltexten versehen – und unbedingt sehenswert.