Supergau 2021

Im Flachgau/Salzburg fand 10 Tage lang zeitgenössische Kunst statt

Bushaltestelle in Hof / Foto: Christa Linossi

Die Namensgebung war sehr unglücklich gewählt. Was bedeutet SUPERGAU? Der größte anzunehmende Unfall wie zum Beispiel Tschernobyl oder Fukushima?  Außerhalb Österreich denkt keiner an eine Region (Flachgau) in Salzburg! Das Wort „Gau“ kam auch im Nationalsozialismus vor und diese Namensgebung „Supergau“ wurde auch von der Geschäftsführung des Literaturhauses Salzburg sehr stark kritisiert.

Ich kann sie jedenfalls beruhigen, es handelte sich hier um keinen „SUPERGAU“ im üblichen Sinne, sondern dieser Supergau war eine imaginäre Landschaft, eine kulturelle Ur-Landschaft. Zeitgenössische Kunst auf 1000 Quadratkilometer mit 18 Projekten im Flachgau verteilt und Corona-Konform.

Der Flachgau wurde temporär zum künstlerischen Aktionsraum. Wald- und Wiesenlandschaft, Seelandschaft, Häuserlandschaft, Asphalt- und Betonlandschaft wurden während des 10-tägigen Festivals zur Bühne.

Die Projekte konnte man – wenn man viel Zeit hatte – umweltfreundlich mit Bus und Rad erkunden. Man brauchte aber gute Nerven, mit dem Bus und dem Rad viel Zeit und mit dem Auto ein gutes Navi. Denn die Beschilderung war zwar mit Plakaten vorhanden, aber wo waren die Plakate? Wo das Projekt selbst? Wer sucht der findet. Auch der Folder hatte so seine Tücken, die Telefonnummer, die auf dem Folder für Rückfragen gedacht war, wählte man die Nummer, sagte eine freundliche Stimme „die Nummer existiert nicht“. Auch wurde das Programm des Öfteren geändert, so dass der Folder seine Kompetenz verlor. Man musste auf das Internet zurückgreifen nur was tun, wenn man während des Besuches kein Internet hatte??

Strobl Tankstelle Projekt „Belvedere Flachgau“ Foto: Christa Linossi

Nun zu den Projekten, einige Projekte fand ich nach längerem Suchen und dann waren sie nicht wirklich das, was versprochen wurde. So zum Beispiel das Projekt „BELVEDERE FLACHGAU“ Das Künstlerpaar nutzte das Tankstellengebäude und machte den Raum nach oben frei.?? Hier wurde ein Baugerüst angebracht, wo man dann das Dach besteigen konnte. Von dort oben bediente man ein Fernrohr und konnte somit den Perspektivenwechsel und die Wahrnehmung zur Landschaft vornehmen. Leider war ich zum falschen Zeitpunkt dort, der Zugang zum Dach war gesperrt, weil der Künstler nicht anwesend war. Die „Sirrende Mücken im surrenden Licht“, ebenfalls am Wolfgangsee, ließ ich mal aus.

Das Projekt „STRAINING FIELD“ am Ort Abersee / Foto: Christa Linossi

Das Projekt „STRAINING FIELD“, hier beschäftigte sich die Künstlerin mit der Wahrnehmung vom Umgang mit der Natur. Die Baumkronen sollten mit einem Seil in ein Korsett gezwungen werden. Sprich die Seile wurden am Wipfel des Baumes angebracht und sollten dann so gebogen und am Erdboden wurde das Seil verankert. Das Projekt scheint gescheitert zu sein, denn die Bäume ließen sich nicht in ein Korsett zwängen, so hangen die Seile zwar schräg an den Bäumen und verankert im Boden. Diese beiden Projekte befanden sich in Strobl am Wolfgangsee und am Ort Abersee.

Projekt „Superort“ in Hof / Foto: Christa Linossi

Aufgrund dieser Enttäuschung von zwei nichts sagenden Projekten fuhr ich weiter nach Hof. Dort fand ich endlich ein Projekt vor, dass absolut einen Sinn ergab. Es war der „SUPERORT“. Gestaltet von den Künstlern Clemens Bauder, Alexander Römer und Patrik Hubmann. Es ist ein Künstlerkollektiv / ConstructLab die sich zwischen Architektur, Urbanismus, bildender Kunst und Design bewegen. Dieser „SUPERORT“ war eine begehbare Strohballenskulptur, die auch während des Festivals in Workshops partizipativ verändert, gestaltet und bespielt wurde. Das Projekt war ein Übergang zwischen der Stadt Salzburg und der Gemeinde Hof bei Salzburg (Flachgau)

Projekt „Superort“ in Hof mit den Künstlern: von r.n.l. Patrick Hubmann, Alexander Römer und Clemens Bauder Foto: Christa Linossi

Mein weiterer Besuch des „SUPERGAU führte mich nun in entgegengesetzte Richtung des Flachgau, nach Mattsee, Obertrum, Seekirchen. Als erstes wollte ich das Projekt „DAS GELBE VOM GAU“ aufsuchen. Mein Navi führte mich vorerst einmal quer durch Seekirchen, bis ich endlich auf dem angegebenen Bauernhof landete und von dort musste ich noch 15 Minuten Fußmarsch in Kauf nehmen, für mich Sportlerin aber kein Problem. Bei dem Projekt durch Zufall (keine Beschilderung) angekommen, lag die gelbe Nylonmembran flach am Boden. Eine Künstlerin war zwar anwesend, musste mir aber bedauernd mitteilen, dass das Gerät, mit dem man die Luft in den Ballon bläst, defekt ist und ein neues erst organisiert werden musste. Also so fiel die Besichtigung ins Wasser ohne Gebläse kein „GELBES VOM GAU“. Abgesehen davon, wäre dies ein interessantes Projekt gewesen, da es auf einem Hügel stand. Ich wollte es noch einmal besuchen, aber es fehlte mir einfach die Zeit.

Projekt “ Gelbes vom Gau“ liegt flach Foto: Christa Linossi
Projekt “ Gelbes vom Gau“ so sah es aus Foto: Christa Linossi

Besuch in Mattsee im Strandbad und herrschte gähnende Leere. Das angeführte Theaterstück würde erst am späten Abend aufgeführt. Außer einer Baustelle und zwei Bällen in einer Kiste, fand ich nichts vor. Weiter in Mattsee zum Projekt „ZUKUNFT MIT ZUKUNFT“ war wieder mit Suchen angesagt. Dort angelangt, saßen wohl Künstler, aber von der „Fahrrad – Erzählwerkstatt“ bekamen wir gar nichts mit, fand ebenfalls zu einem späteren Zeitpunkt statt.  Ich sprach mit einem Gastkünstler, der von diesem Projekt nicht sehr überzeugt war. Es fehlte an Besuchern und auch an der Umsetzung. Nach Rücksprache mit Einheimischen, teilten mir manche mit, sie haben schon was am Rande von dem „Supergau“ mitbekommen, aber was es genau ist, keine Ahnung.

Projekt „Here, Somewhere Else“ Mattsee Strandbad , Foto: Manfred Siebinger
Projekt „Here, Somewhere Else“ Mattsee Strandbad , Foto: Manfred Siebinger

In Obertrum dasselbe wieder. Man sah Plakate „Supergau“, aber man fand die Projekte nicht gleich auf Anhieb.  Abgesehen davon, war in Obertrum – aufgrund einer großen Baustelle – ein Megastau, egal ob man sich mit Bus oder mit dem Auto fortbewegte, man verlor einfach die Lust nach den Projekten zu suchen. Der Bus und das Auto stehen im Stau und mit dem Rad aus der Stadt anzureisen „keine Lust“. Hier wurde der Supergau zum Superstau.

Bushaltestelle Hinweis Supergau Obertrum / Foto: Christa Linossi

Fazit: es war ein Projekt was mehr über 450.000 Euro gekostet hat und man sich fragen muss, wo ist das Geld nun wirklich hingeflossen. Wenn man mit Einheimischen sprach, konnten viele mit dieser Kunst nicht viel anfangen, beziehungsweise bekamen sie oft gar nicht mit, dass in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft Kunst stattfand. Jedenfalls es war ein Projekt, von dem man sich mehr erwartet hätte. Zu Hinterfragen wäre auch, warum wurden keine Künstler vor Ort eingeladen?

Das war der „Supergau“ im Flachgau / Foto: Manfred Siebinger

Das künstlerische Leitungsteam sind Tina Heine und Theo Deutinger, die nach einer internationalen Ausschreibung von einer Jury ausgewählt wurden.

Die Künstler_innen wurden ebenfalls von einer Jury ausgewählt und kamen aus Wien, Oberösterreich und aus Deutschland. Einheimische Künstler_innen war so gut wie gar nicht vertreten.

THIS WORLD IS WHITE NO LONGER

ODER

Diese Welt ist nicht mehr Weiß

Ausstellung im Rupertinum Salzburg bis 10. Oktober 2021

Ansichten einer dezentrierten Welt oder Views of a decentered world

csm_Angelika_Wienerroither__Utopia__Why_can_t_we_all_just_get_along___2021__Inkjet-P_web_bbf8d09eba

Ich besuchte heute die Ausstellung im Rupertinum/Salzburg und stellte fest, Rassismus ist heute noch genau so präsent wie vor XX Jahrzehnten.

Seinerzeit stellte der US-amerikanische Schriftsteller James Baldwin 1953 in seinem Essay Stranger in the Village fest: „Diese Welt ist nicht mehr weiß und wird es nie mehr sein“. (James Arthur Baldwin war einer der bedeutendsten US-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus bekannt wurde und er war schwarzer New Yorker)

csm_Angelika_Wienerroither__Utopia__Why_can_t_we_all_just_get_along___2021__Inkjet-P_web_bbf8d09eba

Baldwins prophetischer Satz steht für eine entschiedene Kritik am weißen westlichen Denken und zugleich für einen Aufruf zu einem universellen Humanismus. In seinem Essay reflektiert er seine Erfahrung als schwarzer New Yorker, der Anfang der 1950er-Jahre in einem Schweizer Dorf zu Besuch ist. Die ausschließlich weißen Bewohner_innen begegnen dem Schriftsteller nicht mit einer feindseligen, aber doch grundsätzlich abweisenden Haltung. Sein Aussehen, seine Sprache erscheinen ihnen fremd.

Die Ausstellung This World Is White No Longer. Ansichten einer dezentrierten Welt sieht in Baldwins Kernaussage, dass der machtpolitisch dominante weiße Blick seine Gültigkeit verloren hat, eine wesentliche Grundlage für die kritische Auseinandersetzung mit Rassismus. Die Ausstellung untersucht das Potenzial des Perspektivenwechsels als eine Methode zur Dezentrierung des eigenen Blicks auf die Welt.

Betritt man das Foyer stechen einem gleich drei chromogene Farbabzüge von der Künstlerin Belina Kazeem-Kaminski entgegen. Titel der Arbeit „In Search of Red, Black and Green” ins Auge. Diese Arbeit ist insofern interessant, man sieht die Person nur von Hinten, kann nicht feststellen ob weiblich oder männlich, aber es handelt sich um eine schwarze Person, die jeweils von einem roten, schwarzen und grünen Vordergrund posiert. Die Künstlerin, Autorin und Kulturtheoretikerin Belinda Kazeem-Kamiński ist in der Schwarzen feministischen Theorie verwurzelt. Ihre Arbeiten basieren oftmals auf Recherchen zu unterdrückten Geschichten und Sichtweisen Schwarzer Menschen, die sie in Archiven, Sammlungen und Bibliotheken in Europa vorfindet.

csm_White_No_Longer__©_MdMS_Rainer_Iglar__19__c75fbab3ef

Kara Walker definiert ihre Kunst als Widerstand gegen die Spuren, die Kolonialismus, Sklaverei, Rassismus und Apartheid in unserer Wahrnehmung hinterlassen haben. Die Künstlerin ist für ihre „historischen“ Schattenspiele bekannt, in denen sie in Form von einfachen schwarzen Scherenschnitten Bildgeschichten erzählt, die sich auf die düstere Geschichte des amerikanischen Südens vor dem Bürgerkrieg (1861–1865) und den Befreiungskampf der Schwarzen beziehen.

Künstlerin Kara Walker Ausstellungsansicht © Mseum der Moderne Salzburg 2021 Foto: Christa Linossi

Das Interessante an dieser Arbeit, es wird von einem Projektor an die Wand geworfen und wenn man das Bild genau betrachtet, sieht man rechts unten, ganz kleine Figuren, die bewaffnet sind. Sind es Buschmänner, die auf Jagd nach Wild sind, ist es ein Ausdruck der Verfrachtung der Schwarzen als Sklaven von Afrika in den amerikanischen Süden?

Kara Walker, National Archives Microfilm, Bureau of Refuges, Freedman and Abandoned Lands: Lucy of Pulaski (Videostill) 2009 Video, Courtesy Sprüh Magers und Sikkema Jenkins & Co, © Kara Walker, Foto: Kara Walker

Samuel Fosso zählt zu den führenden zeitgenössischen Künstlern Zentralafrikas. Ausgehend von seiner Arbeit als kommerzieller Porträtfotograf, fand er fast zufällig zur Kunst. In Auseinandersetzung mit der Geschichte der Studiofotografie in Afrika entwickelte er ab den 1970er-Jahren einen eigenständigen Stil eines theatralischen Selbstporträts, in dem er sich mit afrikanischen Identitätskonzepten befasst.

csm_White_No_Longer__©_MdMS_Rainer_Iglar__22__c84cc46324 (1)

Es ist auch eine Kooperation in Zusammenarbeit mit der Universität Mozarteum Salzburg zustande gekommen. Ein Projekt mit der Klasse für Fotografie und Neue Medien, wo die Ausstellung Arbeiten von Studierenden präsentiert, die aus einer intensiven Beschäftigung mit verschiedenen Ausprägungen von Rassismus entstanden sind.

csm_White_No_Longer__©_MdMS_Rainer_Iglar__11__37c9041c81

Die Kritik an rassistischen Denk- und Verhaltensmustern ist dabei ebenso wichtig wie die Wahrnehmung und Reflexion unterschiedlicher Sichtweisen und der Wechsel zwischen verschiedenen Identitätskonstruktionen und Lebenswirklichkeiten.