
„Ein Aufschrei in PLA – gezeichnet aus Licht, gehalten von Macht. Und plötzlich spricht der Kirchenraum weiblich.“
Bei meinem letzten Stadtbummel durch Salzburg zog es mich – wie so oft – in die Kollegienkirche. Sie ist nicht nur ein barockes Meisterwerk, sondern auch Salzburgs Kunstkirche: ein Ort, an dem Spiritualität und zeitgenössische Kunst in einen leisen, aber intensiven Dialog treten.

Schon beim Betreten durch das Hauptportal umfängt mich diese Weite, diese stille Größe. Die Kirche, zwischen 1696 und 1707 von Johann Bernhard Fischer von Erlach im Auftrag von Fürsterzbischof Johann Ernst von Thun erbaut, zählt zu den bedeutendsten Barockkirchen Mitteleuropas. Das Tonnengewölbe spannt sich in 29 Metern Höhe über den Raum, die Kuppel hat denselben Radius wie der Grundriss – ein architektonisches Zentrum, das Himmel und Erde verbindet. Zahlreiche Fenster durchbrechen das Mauerwerk und tauchen den Raum zu jeder Tageszeit in kristallenes Licht. Die strahlende Madonna am Hochaltar, umgeben von 71 Engeln, zieht den Blick magisch an – ein Sinnbild göttlicher Weisheit.
Doch diesmal war es nicht nur die Architektur, die mich fesselte.
FERMATA DISILLUSIO – eine Skulptur, die hängen bleibt
Rechts neben dem Altar entdeckte ich eine Skulptur, die mir bisher nie aufgefallen war. Eine Hand – wie die eines Marionettenspielers – hält eine Frau an Fäden. Ihr Blick ist gesenkt, ihr Körper in sich gekehrt. Trauer? Erschöpfung? Widerstand?
Der Titel: FERMATA DISILLUSIO Der begleitende Text spricht von einer „fassungslosen Frau in ihrem erzwungenen Zustand“, von „fremder Macht“, die ihre Gefühle beeinflusst. Und von einem „vorhersagbaren Nachgesang“ am Ende des menschlichen Strebens.
Die Skulptur stammt aus der Ausstellung FUGATO UNIVERSALIS der in Salzburg lebenden Künstlerin Christiane Pott – eine monografische In-Situ-Schau aus dem Jahr 2024. Dass dieses Werk über die Ausstellung hinaus in der Kirche verblieben ist, berührt mich. Es ist ein stilles, aber bleibendes Zeichen. Ein Mahnmal.
Ein Aufschrei in PLA-Zeichnung – ein Werk aus biologisch abbaubarem Thermoplast, das durch seine feine Linienführung fast wie gezeichnet wirkt.
Ein Zeichen für uns Frauen
Diese Skulptur spricht. Sie spricht von dem, was Frauen oft tragen – sichtbar und unsichtbar. Von Erwartungen, Zuschreibungen, von Stärke, die nie schwach sein darf. Und sie stellt eine Frage: Würden Männer all das aushalten, was Frauen täglich leisten müssen?
Solange solche Skulpturen schweigen müssen, sollten wir umso lauter hinschauen. Und vielleicht beginnt Veränderung genau hier – in einem Blick, der nicht mehr wegschaut.
Über die Künstlerin
Christiane Pott ist nicht nur Dirigentin, Chorleiterin, Pianistin und Komponistin – sie ist auch bildende Künstlerin. Ihre Werke, ob musikalisch oder skulptural, sind Ausdruck einer tiefen inneren Kraft. Sie lebt Kunst – und lässt sie sprechen.



























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