Wo die Bühne geboren wird – Gosau als Werkstatt der Adventsmagie

„Die Bühnenbild-Beatles“ in Aktion – von links nach rechts: Markus Reiter, Andreas Pieber, Andreas Ivancsics, Tobias Grüll-Pillwein. Zwischen Styropor und Pinselstrichen entsteht die Bergwelt des Adventsingens – Handwerk mit Herz und Humor. Foto: © Christa Linossi 2025

Besuch beim Bühnenbildner Andreas Ivancsics in Gosau

Bei der letzten Pressekonferenz zum Salzburger Adventsingen wollte ich nicht wieder über Darsteller, Musik und Szene sprechen – all das wurde bereits auf der Loferer Alm ausführlich erzählt. Mich interessierte etwas anderes: Wie entsteht eigentlich die Bühne, auf der all das stattfindet? Wer gestaltet die Welt, in der sich das Spiel entfaltet?

Tischlerei Laserer in Gosau – seit über drei Jahrzehnten die Geburtsstätte des Bühnenbilds für das Salzburger Adventsingen. Zwischen Holzstapeln und Bergkulisse entsteht Jahr für Jahr die Bühne, auf der Tradition lebendig wird.Foto: © Christa Linossi 2025

Und so führte mich mein Weg nach Gosau, in die Tischlerei Laserer, zu Bühnenbildner Andreas Ivancsics – einem Künstler, der sonst eher digital arbeitet, diesmal aber mit Holz, Farbe und Styropor eine ganze Bergwelt erschafft. Ich wollte sehen, wie das Bühnenbild für das diesjährige Adventsingen entsteht – und vor allem: den Menschen sichtbar machen, der es erschafft.

Vom Pixel zur Pinselspur – hier verwandelt sich digitale Vision in analoge Wirklichkeit. Die Werkbank des Bühnenbildners: Holz, Farbe und Styropor als Hauptdarsteller einer neuen Bergwelt.Foto: © Christa Linossi 2025

Seit nunmehr 34 Jahren stellt die Tischlerei Laserer ihre Werkhalle dem Salzburger Heimatwerk zur Verfügung – ein Ort, an dem das Bühnenbild für das Adventsingen entsteht. Ursprünglich war es Tobi Reiser, der das Salzburger Adventsingen ins Leben rief und prägte. Nach seinem Tod übernahm Hans Köhler die Leitung und führte die Tradition mit großer Hingabe weiter. Die Werkhalle in Gosau wurde dabei zu einem stillen Mitspieler – ein Ort, an dem Visionen Form annahmen und die Bühne ihre Seele erhielt.

Eine riesige Halle steht dem Bühnenbildner und seinen Gehilfen hier zur Verfügung. Zurzeit werden die Hausteile für die Bühne angefertigt – vier Hauswände liegen nebeneinander am Boden, bereits grundiert und bemalt, mit Styroporsteinen beklebt, die später wie echtes Mauerwerk wirken. Wenn diese fertig sind, wird der Hintergrund der Bühne, die Bergwelt des Dachsteins, bearbeitet. Auch Teile von Bühnenbildern aus früheren Produktionen werden hier umgearbeitet und weiterverwendet – Nachhaltigkeit trifft auf Kreativität.

Es ist sehr viel Handarbeit: Es wird zugeschnitten, grundiert, bemalt. „Mir ist besonders wichtig – gerade bei so einer Produktion wie dem Salzburger Adventsingen, das sehr auf Tradition setzt – ebenfalls auf traditionelles und auch regionales Handwerk zu achten“, sagt Andreas Ivancsics.

Nicht Van Gogh, sondern Gosau – hier wird mit wasserlöslicher Präzision gemalt. Zwischen Pinseln und Farbtopf entsteht die Kulisse für Tradition und Theater.Foto: © Christa Linossi 2025

Verwendet werden wasserlösliche Farben, wie man sie auch für Außenanstriche kennt – sie sind flexibler und halten den Belastungen auf der Bühne besser stand. Aus Styropor werden Steine geschnitzt, die in der jeweiligen Steinfarbe bemalt werden. Latschen werden hergerichtet, die Häuser so bearbeitet, dass sie alt und etwas zerfallen wirken. Selbst die Steinblöcke aus Styropor dienen später als Sitzflächen für die Schauspieler. Türen und Fenster werden geschnitten und bemalt – lauter Einzelteile, die später auf der Bühne zu einem stimmigen Ganzen zusammengesetzt werden.

Epilog: Die Bühne ruft

In der zweiten oder dritten Novemberwoche 2025 beginnt die nächste Etappe: Der Transport der gefertigten Bühnenbildteile ins Salzburger Festspielhaus wird vorbereitet. Der Aufbau erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen der Tischlerei Laserer und Bühnenbildner Andreas Ivancsics – jedes Element findet seinen Platz, jede Wand ihre Position. Dann ist die Bühne bereit für den Probenbeginn des Salzburger Adventsingens.

Es war meine Neugier, die mich in die Hallen der Entstehung und des Handwerks eines Bühnenbildes führte – dorthin, wo Visionen Form annehmen und Menschen sichtbar werden. Christa Linossi – unterwegs zwischen Bühne und Blick hinter die Kulissen.

Während in Gosau noch die letzten Pinselstriche gesetzt werden, bereitet sich Salzburg auf den großen Moment vor. Die Zeit läuft – denn am Freitag, dem 28. November 2025, um 19:30 Uhr hebt sich der Vorhang im Salzburger Festspielhaus. Dann wird das Bühnenbild, das in der Tischlerei Laserer geboren wurde, zum lebendigen Rahmen für Musik, Szene und Erzählung.

Ein Weltbild hebt sich – Sattlers Panorama zieht zurück ins Herz von Salzburg

Ein Kunstwerk von unschätzbarem Wert beginnt ein neues Kapitel – zwischen Technik, Geschichte und Poesie.

Ein Weltbild auf Wanderschaft – vom Dornröschenschlaf zur Wiedererweckung im Herzen der Stadt.

Nach zweieinhalb Jahren im Dornröschenschlaf – sicher verwahrt in einem Spezialbehälter in der Schwarzenberg-Kaserne – erhebt sich das Salzburg-Panorama von Johann Michael Sattler nun wieder zum kulturellen Leben.

Der Umbau des Barockmuseums ist abgeschlossen, und mit der Übersiedlung in die Orangerie Salzburg beginnt ein neues Kapitel für das monumentale Rundbild. Es ist mehr als ein Transport – es ist ein symbolischer Akt: ein Einzug, der Geschichte, Vision und Weltkulturerbe in Bewegung setzt. Mit jedem Meter, den das Panorama zurücklegt, scheint sich die Stadt selbst neu zu betrachten – durch die Augen des Malers, der Salzburg einst in 360 Grad festhielt.

Ich war dabei, als der klimatisierte Kunst-LKW die berühmte Klimabox zum Mirabellplatz brachte. Per Spezialkran wurde sie durch eine maßgeschneiderte Dachluke in den Panorama-Raum der Orangerie eingehoben. Das Objekt bleibt bis Mitte November verpackt – wie ein Schatz, der noch auf seinen Moment wartet.

Es war faszinierend zu beobachten, wie aufwendig ein Transport sein kann, wenn er ein Kunstwerk von unschätzbarem Wert betrifft. Zwei Spezialkräne für eine einzige Box – und zahlreiche Zaungäste, darunter viele Journalist:innen, verfolgten das Spektakel. Ich lasse jetzt einfach Bilder sprechen:

Ein Weltbild in Bewegung – der Transport des Sattler-Panoramas in neun Bildern

Mit Präzision, Sorgfalt und einem Hauch von Staunen wurde das monumentale Rundbild von Johann Michael Sattler in die Orangerie Salzburg überführt. Die folgenden Fotos zeigen den choreografierten Ablauf: vom Eintreffen des Kunst-LKWs bis zur versenkten Klimabox im neuen Panorama-Raum. Ein stiller Akt der Wiedererweckung – Technik trifft auf Geschichte.

Seit September läuft die Klimaanlage – bestehend aus zwei autonomen Systemen für den Besucherbereich und den Raum hinter der Leinwand. Durch laufende Beobachtung und Nachjustierung wurde mittlerweile das ideale Museumsklima erreicht: 23 Grad bei rund 50 Prozent Luftfeuchtigkeit.

Mitte November wird ausgepackt. Eine Woche lang arbeitet das bewährte Fachteam – das bereits die Abnahme und Verpackung im alten Panorama-Museum durchgeführt hat – an der Hängung, Begutachtung und kleineren, bereits geplanten Restaurierungsmaßnahmen. Danach darf das Gemälde bis Jahresende zur Ruhe kommen und – nach der engen Wicklung in der Klimabox – im Originalzustand aushängen. Anfang 2026 folgt der letzte Schritt: die Bearbeitung am Stoß- und Zugangsbereich des Sattler-Panoramas.

Die organisatorische und fachliche Leitung des Gesamtprojekts liegt erneut bei Judith Niedermair-Altenburg, Chefrestauratorin des Salzburg Museum.

Für alle, die das Sattler-Panorama noch nie gesehen haben:

Das Sattler-Panorama ist ein 25,53 Meter langes und 4,86 Meter hohes Ölgemälde von Johann Michael Sattler (*1786 in Neuberg bei Herzogenburg, †1847 in Mattsee). Der österreichische Porträt- und Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts schuf mit diesem Werk ein Rundbild, das Salzburg und sein Umland im Jahr 1825 zeigt – gesehen von der Festung Hohensalzburg aus.

Als topografisches Dokument von unschätzbarem Wert zählt das Panorama zu den bedeutendsten Objekten der Sammlung des Salzburg Museum.

Ein Kunstwerk auf Wanderschaft, ein Raum im Wandel – und ich mittendrin. Es war berührend zu sehen, wie Geschichte sich hebt, verpackt in Technik und Sorgfalt, und langsam wieder sichtbar wird.

„Erwin Wurm im Kaiserpark – Zwischen Knackwurst, Konsumkritik und Kopfverlust“

Erwin Wurm Ausstellung in Bad Ischl im Kaiserpark / „Was bleibt vom Menschen, wenn der Kopf fehlt – und der Anzug sitzt?“ Foto: © Christa Linossi 2025

Vom Pixner-Konzert zur Wurm-Ausstellung – ein Szenenwechsel zwischen Klang und Skulptur.

Die Kaiservilla – einst Ort imperialer Gravitas – heute Bühne für Erwin Wurm, den Meister der Verdrehung. Skulpturen, die aussehen wie Möbel mit Burnout. Autos, die sich schämen, weil sie zu viel PS haben. Ein Pullover, der mehr Persönlichkeit hat als mancher Besucher.

Ich spazierte mit einem Schmunzeln durch den Park, betrachtete die Werke mit einem Augenzwinkern – surreal, schräg, charmant verstörend. Man muss sich auf Wurms Kunst einlassen. Schon die ersten Skulpturen begrüßen die Besucher:innen mit einem fröhlichen „Hurra, ich bin eine Wurm-Skulptur!“ – etwa die „Knackwurst“, einmal in Gold, einmal in Schwarz. Unverkennbar Wurm, aber nicht genießbar.

Weiter hinten: ein kopfloses Model, sichtbar nur die Beine, darüber ein kartonartiges Hemd gestülpt. „Box People“ nennt Wurm diese eingekleideten Kuben auf zwei Beinen – seine Auseinandersetzung mit Kleidung als zweite Haut, als Hülle mit Doppelfunktion. Immer wieder taucht Rosarot auf. Warum? Ich habe das Rätsel noch nicht gelöst.

„Ein Hemd geht spazieren – der Mensch bleibt zurück“ Erwin Wurm Ausstellung im Kaiserpark / Foto: © Christa Linossi 2025

Eine weitere Skulptur – zugleich faszinierend und verstörend – ist eine Hommage an Auguste Rodin. Der französische Bildhauer soll einst den Gipsmantel von Honoré de Balzac über dessen Tonplastik geworfen haben, um sie vor dem Austrocknen zu schützen. Wurm nimmt diese Anekdote als Ausgangspunkt für eine kritische Reflexion über die Modebranche und das bildhauerische Potenzial von Kleidung – ein Thema, das ihn seit den 1990er Jahren begleitet.

„Hommage an Honoré de Balzac – Rodins Versuch, den Schriftstellerkörper zu formen“ Erwin Wurm Ausstellung im Kaiserpark in Bad Ischl / Foto: © Christa Linossi 2025

Besonders spannend: ein klassisches Vorstadthaus mit rotem Ziegeldach in Sattelbauweise. Die begehbare Plastik mit Videoprojektion gehört zu den „Fat Sculptures“, die Konsumgesellschaft und kleinbürgerliche Statussymbole hinterfragen. Im Inneren verformen sich Fenster und Eingang zu Augen und Mund, bevor das Haus – mit der Stimme des Kunsthistorikers Renee Gadsden – beginnt, seine Funktion und Ästhetik in Frage zu stellen.

Ich selbst sah darin ein Sahnetörtchen mit rotem Dach, das sich in die Landschaft kuschelt. Zwei kopflose Skulpturen in zuckerlrosa Anzügen nähern sich dem Haus. Wollen sie es besitzen? Daran naschen? Die Szene lässt der Fantasie freien Lauf – und passt, so absurd es klingt, wunderbar in die Umgebung.

Auch Beine mit Koffer und Tasche waren zu sehen – comichaft auf den ersten Blick, gesellschaftskritisch auf den zweiten. In der Modewelt verraten Schuhe und Handtasche viel über Status und Zugehörigkeit. Wurm spielt mit diesen Codes, entlarvt sie.

„Drei Taschen, kein Ziel – Gepäckstücke auf der Suche nach Bedeutung“ Erwin Wurm Ausstellung im Kaiserpark Bad Ischl / Foto:© Christa Linossi 2025

Im Marmorschlössl gab es weitere Skurrilitäten. In den Stallungen: ein Haus als Schule, entstanden als Pendant zum „Narrow House“. Es steht für Erziehung durch Staat und Gesellschaft – eng, normierend, formend.

Zum Abschluss: ein Sportwagen, der sich wie ein Nilpferd niederlegt. Davor ein Rasenroboter, der emsig seine Kreise zieht, damit das Fahrzeug eine perfekte Fahrbahn hat. Wurm eben – absurd, pointiert, entlarvend.

„Ein Auto wird zum Nilpferd, ein Roboter zum Gärtner – surrealer Alltag im Skulpturenpark“ Erwin Wurm Ausstellung im Kaiserpark in Bad Ischl / Foto: © Christa Linossi 2025

Eine Ausstellung wie ein Spaziergang durch die surrealen Seitenkammern unserer Gegenwart – schräg, verspielt, manchmal verstörend, aber stets mit einem Lächeln im Gepäck. Zwischen Taschen ohne Ziel, Häusern mit pädagogischem Anspruch und Autos, die Nilpferde spielen, entfaltet sich ein Parcours der Verwandlungen.

Was hätte der Kaiser dazu gesagt? Vielleicht ein höflich-erstarrtes „Interessant“, während Sissy sich heimlich in die pinken Raumanzüge geschlichen hätte – auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Protokoll. Ich hingegen verlasse die Ausstellung mit einem leisen Schmunzeln und dem Gefühl, dass Kunst manchmal einfach nur da ist, um uns aus der Spur zu bringen – und das ist gut so.

Die Ausstellung läuft noch bis 30. Oktober 2025 im Kaiserpark Bad Ischl. Wer sich auf Wurm einlässt, wird belohnt – mit Irritation, Erkenntnis und einem Lächeln.

„Musik, die Berge versetzt – zwischen Harfe und Flamenco: PIXNER elektrisiert Gmunden“

„Keine Nahaufnahme, aber ein echter Moment: Herbert Pixner Projekt live in Gmunden. Blick aus dem Publikum – die Bühne, ein Ort musikalischer Magie.“ Foto: © Christa Linossi 2025

Das Herbert Pixner Projekt feierte am 19. Oktober 2025 in der Sporthalle Gmunden sein 20-jähriges Bühnenjubiläum.

Obwohl Pixner bereits mehrfach in Salzburg gastierte und sogar die Festspiele zum Vibrieren brachte, hatte ich bis dahin kein einziges Konzert besucht. Der Anlass für meine Reise nach Gmunden war die ORF-Dokumentation „Herbert Pixner – Der Meister der Alpinen Weltmusik“ (ORF Landesstudio Salzburg, ausgestrahlt am 11. Oktober 2025 um 22.00 Uhr auf ORF 2 und ORF ON). Neugier war mein Motor – und zugleich die Lust auf einen Ausflug ins Salzkammergut, um mich von Pixners einzigartiger Mischung aus alpinen Klängen inspirieren zu lassen.

Herbert Pixner zählt zu den erfolgreichsten Musikern des Alpenraums. Mit Elementen aus Blues, Flamenco und Jazz schafft er gemeinsam mit seinem Ensemble ein Konzerterlebnis, das weit über Genregrenzen hinausgeht. Das Herbert Pixner Projekt ist bekannt für seine energetischen Live-Auftritte, bei denen Pixner virtuos zwischen verschiedensten Instrumenten wechselt und mit seiner Band eine musikalische Reise voller Leidenschaft und Spontaneität entfaltet.

Seine Bühnenenergie, die Lust an Grenzüberschreitung und das feine Gespür für große Gefühle machten auch das Konzert in Gmunden zu einem Ereignis. Das Jubiläumsprogramm vereinte die eindrucksvollsten Stücke der letzten Jahre. Pixners persönliche Statements zu den jeweiligen Musikstücken verliehen dem Abend eine besondere Tiefe. Er gewährte Einblicke ins Südtirolerische, Tirolerische, Salzburgerische und Oberösterreichische – als würde er die Bergwelten musikalisch ineinander verweben.

Hervorragend war auch das Zusammenspiel mit Manuel Randi (Gitarren), Werner Unterlercher (Bass), Heidi Pixner (Harfe) und Alessandro Trebo am Konzertflügel – besonders dann, wenn Pixner und Randi sich musikalisch duellierten.

Ich habe es nicht bereut, mir das Konzert in Gmunden anzusehen und anzuhören. Die Location – die Sporthalle – war zwar nicht das Nonplusultra. Ideal wäre vermutlich die Salzaufbereitungshalle der Salinen Ebensee gewesen, mit ihrem charismatischen Resonanzraum, in dem sich der Zauber der Musik noch eindrucksvoller hätte entfalten können.

Jazz & The City 2025 in Salzburg – Auftakt einer vibrierenden Stadtpartitur

„Silhouette im Klang – ein Moment zwischen Licht und Jazz“ eingefangen von Rudi Gigler Foto: © Rudi Gigler 2025

Salzburg swingt – nicht im Takt der Mozartkugeln, sondern im Puls von Saxophon, Stimme und Bass. Die Eröffnung von Jazz & The City 2025 war mehr als ein Konzert – sie war ein Versprechen: auf Begegnung, Klangräume und eine Stadt, die sich für ein paar Tage in improvisierte Bühnen verwandelt.

Ich war dabei, als sich der Saal in der Szene bis auf den letzten Platz füllte. Erwartung lag in der Luft, gespannte Stille vor dem ersten Ton – und dann: Musik, die nicht nur Ohren, sondern auch Zwischenräume füllte. Das Publikum? Begeistert, berührt, bewegt. Der erste Ton war wie ein Auftakt zur kollektiven Resonanz.

„David Helbock’s Random Control feat. Filippa Gojo – eingefangen im Moment zwischen Klang und Konzentration“ Foto: © Christa Linossi 2025

Das Markenzeichen des Trios ist und bleibt die Vielfalt der Instrumente. Der wilde Mix aus Helbocks herausragendem Klavierspiel, vertonten Gedichten von u.a. Emily Dickinson und Erich Fried, Alphorn, Tuba und jeder Menge anderer Klangkörper riss die Besucher:innen zu Standing Ovations hin. Ein vielumjubelter Auftakt, dem einer der wohl interessantesten Auftritte des Festivals folgen sollte.

Schon am ersten Abend zeigte sich, was dieses Festival ausmacht: die Nähe zwischen Künstler:innen und Publikum, die Offenheit für Klangexperimente, das Flanieren zwischen Konzerten und Cafés. Ich habe mir einige der Musiker:innen notiert – ihre Namen, ihre Klänge – und werde in den kommenden Tagen tiefer eintauchen. In ihre Geschichten, ihre Sounds, ihre Bühnen.

„Adam Ben Ezra & Michael Olivera – ein Groove-Duo zwischen Bass und Beat. Zwei Blickwinkel, ein Klangmoment.“

Besonders faszinierte mich der Auftritt von Adam Ben Ezra in der Szene. Er führt nicht nur ständig neue Elemente und Instrumente ein, sondern integriert auch immer mehr elektronische Komponenten in seine Show. Durch den Einsatz einer geschickten Kombination aus Effekten und Pedalen loopt Ben Ezra seine Noten regelmäßig, um eine authentische Klangwand zu erzeugen. In seinem aktuellen Projekt hat er sich mit dem kubanischen Schlagzeuger Michael Olivera zusammengetan. Es war ein perfekter Musikgenuss – die beiden entfachten ein wahres Groove-Feuerwerk und hoben ihre Drum&Bass-Beziehung auf ein völlig neues Level.

„Ein Mann, ein Hammond, ein musikalischer Rausch – Raphael Wressnig im Moment“ Foto: © Christa Linossi 2025

Ein weiterer Künstler, der mich faszinierte, war der Steirer Raphael Wressnig, der dem Publikum auf dem Residenzplatz einheizte. Wressnigs Hammond-Spiel lebt von einer fast unerschöpflichen Palette an Klangfarben – von vibrierenden Bässen bis zu leuchtendes, gospelgetränktes Höhen. Was so unheimlich groovig, funkig, soulig und bluesig klingt und das Bewusstsein im Nu auf „Good Times“ programmiert, braucht auch exzellente Musiker, die sämtliche Stile im kleinen Finger haben. Seit Jahren tourt Wressnig mit Gitarrist Enrico Crivellaro und Drummer Erich Cisbani.

„Raphael Wressnig mit Enrico Crivellaro und Erich Cisbani – ein Soul-Gift-Trio zwischen Funk, Groove und Hammond-Magie / Foto: © Christa Linossi 2025

Hiram Salsano hat sich als die junge „alte“ Stimme Kampaniens etabliert. Mit ihrer Musik pflegt sie die traditionelle Musik Süditaliens, insbesondere die ihrer Heimatregion in den Bergen des Cilento, südlich und östlich von Neapel. Mit Marcello De Carolis hat sie einen genialen Counterpart gefunden, der sie auf der Gitarra Battente, einer für die Region typischen Schlaggitarre, begleitet. Gemeinsam erforschen die beiden die ebenso beeindruckenden wie geheimnisvoll vibrierenden Klänge Süditaliens.

„Hiram Salsano & Marcello De Carolis – mediterrane Klangpoesie zwischen Stimme, Saiten und Seele.“ Foto: © Rudi Gigler 2025

Es gab noch viele weitere großartige Konzerte – doch die hier beschriebenen haben mich am meisten beeindruckt. Jazz & The City 2025 hat gezeigt: Wenn Klangräume sich öffnen, wird die Stadt zur Bühne – und jede Begegnung zum Takt.

Jazz and the City 2025 „Wenn Jazz die Gassen füllt – die Mozarteum Marching Band auf klangvoller Parade. Foto: © Henry Schulz.“

Erstmals zeichnete nicht nur ein Kurator, sondern ein Team für den Inhalt verantwortlich: Markus Deissenberger koordinierte die kuratorischen Inputs mehrerer Spezialist:innen, wodurch eine einzigartige Vielfalt entstanden ist.

„Mit klarem Blick und rotem Badge – Markus Deissenberger im Zentrum der Organisation. Foto: © Christa Linossi.“

Rund 60 Veranstaltungen an 20 Locations begeisterten vier Tage lang rund 25.000 Besucher:innen. Das vom Altstadtverband Salzburg alljährlich veranstaltete Festival für Jazz, Global Groove, Electronic Music und Improvisation schafft bei kostenfreiem Eintritt nicht nur Klangräume – sondern Begegnungen, die nachhallen.

Was bleibt, wenn nichts bleibt?

Neue Arbeit (ohne KI!) als experimentelle Fotografie / aus der Serie „Liebe ist eine Illusion“, Thema „Wenn die Liebe zur Illusion wird“ © Christa Linossi 2025

Wenn Liebe zur Illusion wird

Aus der Serie: „Liebe ist nur eine Illusion“

Ein Schatten bleibt, wo einst Nähe war. Die Risse sprechen leise von dem, was nicht hielt. Kontur statt Gefühl. Erinnerung statt Berührung. Und doch: ein Bild, das mehr sagt als Worte. Es ist nicht das Gesicht, das fehlt — es ist die Wärme, die sich verflüchtigt hat. Was bleibt, ist die Form. Was fehlt, ist das Leben darin.

Marina Abramović: Hier die Retrospektive, dort der leere Stuhl

Eine persönliche Annäherung an die Künstlerin zwischen Performance, Präsenz und Poesie.

Ich erinnere mich noch gut an das erste Mal, als ich Marina Abramović sah – nicht persönlich, sondern in einem Video aus dem Museum of Modern Art in New York. Dort saß sie stundenlang regungslos an einem Tisch, gegenüber wechselten die Besucher. Kein Wort, kein Lächeln, nur Blickkontakt. The Artist Is Present hieß diese Performance. Ich verstand damals nicht genau, was sie bezwecken wollte – und doch hat mich die Szene tief berührt. Es war, als würde die Zeit stillstehen – und gleichzeitig alles sagen.

Nun kommt Marina Abramović nach Wien. Marina Abramović ist eine der wichtigsten zeitgenössischen Künstlerinnen. Sie gilt als Begründerin der modernen Performance und hat mit ihren legendären Auftritten Kunstgeschichte geschrieben.

Die Albertina Modern zeigt ab dem 10. Oktober 2025 die erste große Retrospektive der Künstlerin in Österreich. Über fünfzig Jahre ihres Schaffens werden sichtbar – von frühen Arbeiten in Belgrad bis zu ikonischen Performances wie Imponderabilia, bei der Besucher sich zwischen zwei nackten Körpern hindurchzwängen mussten.

Abramović gilt als Pionierin der Performancekunst. Sie nutzt ihren Körper als Medium, als Werkzeug, als Bühne. Ihre Werke sind radikal, verletzlich, oft unbequem – und gerade deshalb so kraftvoll. Die Ausstellung in der Albertina Modern ist nicht nur eine Hommage an ihre Kunst, sondern auch eine Einladung zur Selbstbegegnung. Denn wer sich auf Abramović einlässt, erfährt nicht nur etwas über sie – sondern auch über sich selbst.

Ein Foto in der Ausstellung hat mich besonders beschäftigt: Eine Frau auf einem weißen Pferd, in der Hand eine weiße Fahne. Das Pferd ist ein Hengst. Will sie damit sagen: Du bist zwar ein Hengst, aber ich gebe die Kommandos – und mit der weißen Fahne rufe ich zum Frieden auf? Oder anders: Die Frau ist stark genug, um mit der Geschlechterrolle Mann–Frau umzugehen – und sie hießt die Fahne, um Frieden walten zu lassen? Interpretationen gäbe es viele. Landschaft, Pferd, Frau, Fahne – ein symbolisches Zusammenspiel. Betrachtet man das Bild genauer, fällt auf: Der Blick des Pferdes und der Frau geht in dieselbe Richtung. Was sehen sie? Was spielt sich dort ab? Ist es ein Befehl? Eine Reaktion auf etwas Unerwartetes?

Marina Abramović | The Hero, 2001 | Courtesy of the Marina Abramović Archives, and Galeria Luciana Brito © Courtesy of the Marina Abramovic Archives / Bildrecht, Wien 2025

Eine weitere Arbeit regt ebenfalls zum Nachdenken an: Eine Skulptur zeigt Beine – ob männlich oder weiblich, lässt sich nicht erkennen. Die Beine ragen nach oben, der Korpus steht auf einem Podest. Darunter steht eine Frau – vielleicht Abramović selbst? Sie steht kerzengerade, die Augen geschlossen. Träumt sie? Denkt sie nach? Oder befindet sie sich in Trance, will sich wegbeamen? Dieses Rätsel bleibt offen – hier wäre ein Gespräch mit der Künstlerin selbst angebracht.

Marina Abramović
Inner Sky, 1991/2015
ca. 200 x 220 x 85 cm, Eisen, Amethystgeode
Courtesy of the Marina Abramović Archives
© Courtesy of the Marina Abramović Archives / Bildrecht, Wien 2025; Foto: Heini Schneebeli, 1994

Das dritte Foto erzählt ebenfalls eine Geschichte: Zu sehen sind Bäume, die so gewachsen sind, dass sie ein Bild ergeben – wie ein altes Indianerzelt aus Baumstämmen, eine Schutzwand. Davor liegt eine Frau im weißen Bademantel, träumt oder schläft. Die Natur scheint über sie zu wachen, als wolle sie sagen: Du bist hier sicher.

Marina Abramović
Sleeping Under the Banyan Tree, 2010
Performance für Video, 56 Minuten 43 Sekunden
Courtesy of the Marina Abramović Archives, and Sean Kelly Gallery, New York
© Courtesy of the Marina Abramović Archives / Bildrecht, Wien 2025

Abramovićs Werke zu betrachten ist faszinierend – doch ihren wahren Sinn zu entschlüsseln, bleibt eine Herausforderung. Es gibt so viele Möglichkeiten. Und während ich darüber nachdenke, fällt mir noch eine ihrer Arbeiten ein: In Salzburg, auf der Staatsbrücke, steht ihre Installation Spirit of Mozart. Ein überdimensionierter, 15 Meter hoher Sitz ohne Sitzfläche erhebt sich am nördlichen Brückenkopf, umgeben von acht Edelstahlstühlen. Besucher können Platz nehmen und sich in Stille versenken. Die Arbeit will das Unsichtbare – den Geist Mozarts – sichtbar machen und der Hektik des Alltags einen Ort der inneren Einkehr entgegensetzen.

Vielleicht ist es genau das, was Marina Abramović uns zeigt: dass Stille manchmal mehr sagt als jedes Wort.

MARINA ABRAMOVIĆ | 10.10.2025 – 1.3.2026 Die ALBERTINA MODERN zeigt in Kooperation mit dem Bank Austria Kunstforum Wien die erste große Retrospektive von Marina Abramović in Österreich. Mehr zur Ausstellung auf der Website der Albertina https://www.albertina.at/albertina-modern/ausstellungen/marina-abramovic/

„Die Kunst der Rückgabe – Ein Radar der Erinnerung Über die Last der Geschichte und die leisen Linien des Verlusts“

The Museum of (Non)Restitution
Ausstellungsansicht © Salzburg Museum/Laurin Christl
© Salzburg Museum/Laurin Christl

Gastspiel des Salzburg Museum im Salzburger Kunstverein                                                                       bis 16. November 2025

Im Salzburger Kunstverein zeigt das Salzburg Museum unter dem Titel The Museum of (Non) Restitution eine Ausstellung, die sich mit der komplexen Geschichte der „Arisierung“ von Kunst- und Kulturgütern während der NS-Zeit auseinandersetzt. Sie richtet sich an alle, die sich für Provenienzforschung, Erinnerungskultur und die ethischen Fragen rund um Restitution interessieren.

The Museum of (Non)Restitution Ausstellungsansicht
© Salzburg Museum/Laurin Christl

Ausgangspunkt sind Objekte aus der Sammlung des Salzburg Museum, die während des Nationalsozialismus ihren rechtmäßigen Eigentümerinnen entzogen wurden. Diese Werke werden in einen Dialog mit zeitgenössischen künstlerischen Positionen gebracht. Die international renommierten Künstlerinnen Thomas Geiger, Tatiana Lecomte und Sophie Thun haben neue Arbeiten entwickelt, die sich mit der bewegten Geschichte dieser Objekte auseinandersetzen – sowohl mit bereits restituierten als auch mit noch nicht zurückgegebenen Werken.

Historischer Kontext Viele der enteigneten Kunstwerke unterlagen dem sogenannten „Führervorbehalt“ und wurden im Rahmen des „Sonderauftrags Linz“ für das geplante „Führermuseum“ oder für andere Museen im Deutschen Reich akquiriert. Mit dem Entzug war stets die Verfolgung der Eigentümer*innen verbunden. Bis Mitte der 1950er Jahre wurden rund 80 Prozent der unrechtmäßig erhaltenen Werke des Salzburg Museum restituiert. Seit 2011 wird intensiv weitergeforscht, um verbliebene Objekte zu identifizieren und zurückzugeben.

The Museum of (Non)Restitution
Ausstellungsansicht
© Salzburg Museum/Laurin Christl

Tatiana Lecomte: Helene Taussig und ihr Haus Tatiana Lecomte (*1971, Bordeaux, lebt in Wien) setzt sich in ihren fotografischen Projekten mit Fragen der Repräsentation und der Rolle des Bildes in historischen Narrativen auseinander. In ihrer Arbeit Gott segne das Jahr 1942. Helene Taussig und ihr Haus überträgt sie mithilfe einer Schlagschnur eine Zeichnung des Atelierhauses von Helene Taussig in Anif auf die Wand des Kunstvereins – basierend auf einer Fotografie von 1935. Die Installation wirkt wie eine fragile Grafik, kaum sichtbar und doch eindringlich. Ihre technische Umsetzung verlangt Geduld und Präzision und lässt das Gebäude in einer fast geisterhaften Dimension erscheinen.

Ein Wandbild als Radar Besonders eindrucksvoll ist eine Wandgrafik, die Salzburg als Zentrum zeigt – von hier aus ziehen sich Linien wie Bewegungsradien in alle Richtungen, dorthin, wo die „arisierten“ Kunstwerke verteilt wurden. Die Zeichnung wirkt wie ein Radar, das die Wege der Objekte sichtbar macht und gleichzeitig die Unsichtbarkeit des Verlusts thematisiert.

_ The Museum of (Non)Restitution
Ausstellungsansicht
© Salzburg Museum/Laurin Christl

Fragen, die bleiben Die Ausstellung beleuchtet, wie jüdischen Menschen während des Nationalsozialismus Eigentum wie Kunstwerke, Möbel, Häuser, Geschäfte und Bücher geraubt wurde – ein Vorgang, den man zynisch „Arisierung“ nannte. Auch das Salzburg Museum erhielt damals Werke, die ihm nicht zustanden. Doch die Beweisführung ist oft schwierig. Die Provenienzforschung in Salzburg arbeitet mit großer Sorgfalt daran, Licht ins Dunkel zu bringen.

Was gehört wem? Was ist gerecht? Wie erinnern wir richtig? Diese Fragen stehen im Zentrum der Ausstellung. Sie lädt zum Nachdenken ein – über Besitz, Verantwortung und Erinnerung. Ein Besuch lohnt sich.Hinweis: Das Salzburg Museum ist derzeit wegen Umbauarbeiten geschlossen und zeigt seine Sammlung im Rahmen von Gastspielen in verschiedenen Kultureinrichtungen der Stadt Salzburg.

„WER WO WAS BIN ICH? – Kunst als Echo der Erfahrung“ „Frauen. Mauern. Stimmen.“

„Nicht Teil der Ausstellung – aber Teil des Diskurses“

Die Faust im Gesicht! Experimentelle Fotografie Serie „Gewalt“ Fotoarbeit © von Christa Linossi 2018

Ich bin selbst nicht Teil der Ausstellung, wurde jedoch zur Vernissage des Projekts art X women eingeladen. Diese Einladung hat mich inspiriert, meine eigenen Arbeiten zum Thema Gewalt an Frauen wieder sichtbar zu machen – Arbeiten, die bereits 2014 entstanden sind und zeigen, wie lange mich dieses Thema künstlerisch beschäftigt.

Bereits 2014 habe ich mich in einer experimentellen Fotografie-Serie mit dem Thema Gewalt an Frauen auseinandergesetzt. Die Mauern der Franzensfeste wurden damals zum stillen Schauplatz meiner künstlerischen Reflexionen – Orte der Konfrontation, der Zerrissenheit, der Suche nach Freiheit und Identität.

WER WO WAS BIN ICH? Experimentelle Fotografie Serie „Gewalt“ Fotoarbeit © von Christa Linossi 2014

Diese Arbeiten habe ich nun auf meiner Archivseite sichtbar gemacht. Sie sind nicht neu, aber aktueller denn je. Der Link zu meiner Archivseite: https://linossiartstory.com/archiv/

Die Eröffnung und Präsentation des Projekts art X women – Kunst gegen Gewalt an Frauen findet am Donnerstag, 16. Oktober 2025 um 18 Uhr in der Franzensfeste/Fortezza in Südtirol statt. Die Ausstellung ist anschließend bis 9. November 2025 zu sehen.

VISUAL ECHOES im MdM Salzburg: Fünf Räume, die alles verändern. Was bleibt, wenn die Bilderflut versiegt!

Video, Film, Fotografie, Dia: Eine Ausstellung im Museum der Moderne Salzburg

Ausstellung Visual Echoes Museum der Moderne Salzburg, Foto:© Christa Linossi 2025

Im Museum der Moderne Salzburg wird derzeit eine Ausstellung gezeigt, die sich nicht mit dem Offensichtlichen begnügt. VISUAL ECHOES – Gegenbilder im Bilderstrom fragt nicht nur, was wir sehen – sondern wie wir sehen. Sie untersucht, wie die unaufhörlichen Bilderfluten aus Fernsehen, Kino, Internet, Werbung und Kunst unsere Wahrnehmung formen, unsere Emotionen beeinflussen und unser kollektives Gedächtnis prägen. Und sie fragt, wie Künstler:innen diesen Strom unterbrechen, umlenken oder neu erzählen können.

Gerade im 21. Jahrhundert dominieren Bilder unsere Kommunikation. Texte treten zurück, Geschichten werden visuell verdichtet. Die Ausstellung greift dieses Phänomen auf und präsentiert kraftvolle Installationen von Susan Hiller, Luis Jacob, Arthur Jafa, Mathias Poledna / Karthik Pandian und Ana Torfs. Ihre Medien: Video, Film, Fotografie und Dia. Ihre Mission: Gegenbilder schaffen – bewusst, poetisch, radikal.

Raumgestaltung als Statement

Schon beim Betreten der Ausstellung wird klar: Hier geht es nicht um Dekoration, sondern um Atmosphäre. Schwarze Wände, rote Schrift in Großbuchstaben – der Titel VISUAL ECHOES – Gegenbilder im Bilderstrom / Counter Images in the Stream of Pictures leuchtet wie ein Warnsignal. Fünf Werke, fünf Räume, fünf eigene Welten – jede Installation ist ein geschlossenes Universum.

Visual Echeos, MdM Salzburg, 1.10.2025 Foto: wildbild Herbert Rohrer

Arthur Jafa: SloPEX (2022)

Der erste Raum gehört Arthur Jafa. Mit SloPEX zeigt er eine verlangsamte, modifizierte Bildabfolge – 850 Schwarzweiß-Fotografien, montiert ohne lineare Erzählung. Es ist ein hypnotischer Bilderstrom, der die Geschichte schwarzen Lebens reflektiert: Gewalt, Widerstand, Selbstbehauptung. Szenen aus Musik, Alltag, Politik – begleitet von den Beats des Techno-Pioniers Robert Hood. Der Raum vibriert, die Bilder treffen tief. Es ist kein Film – es ist ein emotionaler Sog.

Visual Echeos, MdM Salzburg, 1.10.2025 Foto: wildbild Herbert Rohrer

Poledna / Pandian: Eine Sekunde

In einem anderen Raum begegnet man dem Porträt des Models Marike Le Roux – aufgenommen mit einer VistaVision-Kamera, zerlegt in 24 Einzelbilder. Jedes Dia zeigt eine Nuance, eine minimale Bewegung. Die ethnisch anmutende Bluse aus Yves Saint Laurents Kollektion von 1976 verortet das Bild zwischen Modegeschichte und Identitätsfragen. Die Installation spielt mit Zeit, Serie und Erinnerung – ein visuelles Daumenkino, das sich Tag für Tag verändert.

Ana Torfs: Wahlverwandtschaften und Maskenspiele

Ana Torfs’ Werk ist ein Spiel mit Identität und Inszenierung. Zwei Personen blicken den Besucher:innen entgegen – ernst, unverändert. Doch Kleidung, Frisur und Accessoires wechseln in 162 Dias. Die Rollenbilder entstehen im Detail. Ergänzt wird die Projektion durch 14 Lesetische mit losen Blättern: literarische Fragmente, biografische Splitter, historische Zitate. Es ist ein Buch im Werden – ein offenes System von Wahlverwandtschaften, das Wahrheit und Maske neu denkt.

Fazit: Sehen lernen

Diese drei Werke haben mich besonders berührt – nicht nur wegen ihrer visuellen Kraft, sondern wegen ihrer Haltung. Sie fordern uns auf, genauer hinzusehen, zu hinterfragen, zu entschleunigen. Die Ausstellung ist kein Spaziergang durch Bilder – sie ist ein Dialog mit dem Sehen selbst.

Moderne Sitzelemente laden dazu ein, sich Zeit zu nehmen. Und genau das braucht man hier: Zeit, Ruhe, Offenheit.

Läuft noch bis 8. März 2026 Weitere Infos: museumdermoderne.at