
Zwei Ausstellungen, zwei künstlerische Stimmen – und ein gemeinsamer Aufschrei gegen die Oberflächlichkeit unserer Zeit. Im Salzburger Kunstverein treffen digitale Ekstase und politischer Widerstand aufeinander. Esben Weile Kjær und Laila Shawa präsentieren Werke. Diese Werke wollen nicht nur gesehen werden, sondern auch gespürt werden. Ein Besuch, der nachhallt.
Farbenrausch und digitale Dekadenz – Esben Weile Kjær im Salzburger Kunstverein
Beim Betreten des Ausstellungsraumes trifft es einen mit voller Wucht. Ein Farbenrausch aus bunten Teppichfliesen lenkt den Blick auf den Boden. Sie ziehen nicht nur durch ihre Farbigkeit, sondern auch durch die darauf abgebildeten Motive an.

Der Raum wirkt wie ein Befreiungsschlag – offen, grell, fast provokativ. Die spärlich platzierten Skulpturen sprechen eine eigene, eindringliche Sprache. Zwei übergroße, von der Decke pendelnde Skulpturen erinnern an Totenköpfe in Schwarz und Blau. Leben und Tod? Warnung oder Inszenierung?

Weile Kjær schafft ein visuell überwältigendes Szenario, das sich mit Ästhetiken der Selbstoptimierung, Hyper-Sichtbarkeit und dem Spektakel des zeitgenössischen Lebens auseinandersetzt. Rokoko-Dekadenz kollidiert mit digitaler Reizüberflutung – eine unheimliche Landschaft entsteht, in der der Körper zur Ware und zum Avatar wird.
Der Künstler stellt sich der neoliberalen Gegenwart, in der das kommerzialisierte Selbst endlos optimiert, spektakulär inszeniert und konsumierbar gemacht wird.
Zur Person: Esben Weile Kjær (*1992, Kopenhagen) arbeitet mit Skulptur, Video und Performance. Seine Werke greifen die Geschichte der Popkultur und Popmusik auf, um Themen wie Nostalgie, Authentizität und generationenbedingte Ängste zu untersuchen. Er beleuchtet die heutige Ereignisökonomie mit einer aufmerksamen, unkonventionellen Bildsprache. Dabei verwendet er die Ästhetik der Unterhaltungsindustrie und ihre Marketingstrategien.
Kuratiert von Mirela Baciak
Islamo-Pop und Widerstand – Laila Shawa im Studio des Salzburger Kunstvereins

Im kleineren Studio begegnet man den Arbeiten von Laila Shawa – vielschichtige Kapseln, geografisch weitreichend und stilistisch hybrid. Ihre unverwechselbare Bildsprache, oft als „Islamo-Pop“ bezeichnet, vereint islamische Ornamentik. Sie kombiniert byzantinische Kalligrafie und westliche Pop-Art. Dies führt zu einer kritischen Reflexion globaler Machtverhältnisse.
Ihr bevorzugtes Medium, die Druckgrafik, war für sie nicht nur ästhetisches Ausdrucksmittel. Es war auch eine Kommunikationsstrategie. Wiederholung, Reproduktion und öffentliche Sichtbarkeit wurden zu Werkzeugen des sozialen Engagements.

In der Ausstellung sind Skulpturen weiblicher Körper zu sehen – mit Ledermieder und beidseitig befestigten Sprengkörpern. Das Mieder selbst erinnert ebenfalls an eine Bombe. Was will die Künstlerin damit sagen? Gewalt gegen Frauen? Oder müssen sich Frauen selbst „in die Luft sprengen“, um wahrgenommen zu werden?


Es ist ein Aufschrei – ein Aufruf gegen die Brutalität, mit der Frauen weltweit konfrontiert sind. Frauen, die Leben gebären. Frauen, die in vielen Gesellschaften noch immer in der letzten Reihe stehen.
Angesichts der eskalierenden Gewalt seit dem 7. Oktober 2023 erleben wir einen Zustand gesellschaftlicher und emotionaler Überforderung. Der öffentliche Diskurs ist polarisiert, schmerzhaft und von einem Mangel an Verständnis geprägt.
Die Ausstellung SCHOOL OF SEEING bietet eine retrospektive Auseinandersetzung mit dem Werk von Laila Shawa (1940–2022). Sie war eine Künstlerin, die aus palästinensischer Perspektive sprach. Jedoch ist sie vor der aktuellen Eskalation verstorben.
Zur Person: Laila Shawa (*1940, Gaza – †2022, London) erhielt ihre erste Ausbildung am Leonardo-da-Vinci-Kunstinstitut in Kairo (1957–1958), studierte bis 1964 an der Akademie der Bildenden Künste in Rom und verbrachte die Sommer an Oskar-Kokoschkas-SCHULE DES SEHENS in Salzburg. Nach ihrem Studium kehrte sie nach Gaza zurück, um für das UN-Hilfswerk Kunstunterricht in Flüchtlingslagern zu geben. Mit Ausbruch des libanesischen Bürgerkriegs siedelte sie nach London über, verbrachte jedoch weiterhin viel Zeit in Gaza. Bis zu ihrem Tod war sie in London künstlerisch aktiv.
Kuratiert von Jakub Gawkowski
Empfehlung
Ich empfehle Ihnen, diese Ausstellung zu besuchen. Sie regt zum Nachdenken an – über Kunst, Körper, Identität und die politische Gegenwart.
Laufzeit: bis 14. September 2025
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