
Am 3. Adventsonntag lud Philipp Hochmair zum JEDERMANN Razelliremix 2.0 in die Kavernen in Salzburg ein. Ich sah zum ersten Mal Philipp Hochmair in seiner eigenen Inszenierung — diesmal gemeinsam mit dem österreichischen Avantgarde-Musiker Kurt Razelli. Die beiden Individualisten haben den „Jedermann Razelli Remix“ als Clubversion mit Elektrobeats und filmepischen Klangflächen entwickelt und touren damit regelmäßig durch den deutschsprachigen Raum.
Die Kaverne atmet. Feuchter Stein, gedämpftes, blaues Licht, ein Raum, der eher an eine unterirdische Kathedrale erinnert als an einen klassischen Veranstaltungsort. Mit einer VIP-Karte in der Hand betrete ich diesen Höhlenraum, der sich wie ein Resonanzkörper für etwas Unvorhersehbares anfühlt. Kein roter Teppich, kein PR-Gewitter, kein Marketingrauschen. Nur ein einziges Plakat vor dem Museum der Moderne und der SZENE Salzburg kündigte diesen Abend an — und doch war sofort klar: Hier wird etwas passieren. Und es ist passiert.
Philipp Hochmair tritt nicht auf die Bühne.
Er bricht in sie ein.
Sein „Jedermann“ ist kein Theater, keine Lesung, keine Performance im üblichen Sinn. Es ist ein Angriff, ein Ritual, ein körperlicher Akt. Er schleudert Worte, wirft sich hinein, zerlegt und baut gleichzeitig neu. Sein Körper wird zum Instrument, seine Stimme zum Schlagzeug, sein Atem zur Lichtquelle. Man spürt: Dieser Mann braucht keine PR-Agentur. Er ist seine eigene.

Es ist faszinierend, ihm zuzusehen, wie er in Sekundenbruchteilen von einer Rolle in die nächste springt und wieder zurück. Ein Sprint, der sich ständig verwandelt — und dabei den Text des „Jedermann“ wie Geschosse in die Menge schleudert.



Zwei Mitspieler verstärken dieses Kraftfeld. Die Kunstfigur Kurt Razelli, maskiert — eine Arnold-Schwarzenegger-Maske, fast anonym — steuert Sound und Licht wie ein chirurgischer Eingriff. Jeder Beat, jede Lichtkante setzt einen Impuls, der Hochmairs Sprache elektrisiert.

Und dann der Tod: Ein Mann mit Trachtenhut, Maske und E‑Gitarre. Eine Figur zwischen Volkskultur und Rockmythos. Er eröffnet und beendet den Abend wie ein musikalischer Totengräber, der gleichzeitig Leben spendet.
Dass dieser Abend überhaupt stattfindet, ist einem Mann zu verdanken, der im Hintergrund wirkt: Martin Herbst, der Veranstalter. Ich begegne ihm kurz vor Beginn — sympathisch, offen, präsent. Er erzählt mir, dass er diese Produktion nach Salzburg geholt hat, ohne großes Budget, ohne PR-Maschinerie, einfach aus Überzeugung. Ein Kulturermöglicher, kein Kulturverwalter. Einer, der Räume öffnet, statt sie zu verwalten. Ohne ihn gäbe es diesen Abend nicht.

Die abgespeckte Form des JEDERMANN Razelliremix 2.0 macht ihn nur stärker. Keine Kulisse, keine Kostüme, keine Effekte. Nur Körper, Stimme, Sound, Licht. Ein Jedermann, der nicht erzählt wird, sondern passiert.
Hochmair ist schlichtweg ein Schauspieler der Extraklasse. Er schafft es, den „Jedermann“ als Ein-Mann-Stück so zu inszenieren, dass sich niemand im Publikum langweilt. Im Gegenteil: Man muss voll bei der Sache sein, um die rasanten Rollenwechsel nicht aus den Augen zu verlieren.
Für mich war es ein gewaltiges Erlebnis. Nicht, weil es laut war. Nicht, weil es spektakulär war. Sondern weil es roh war. Echt. Unvermittelt.
Ein Abend, der sich nicht erklären lässt, sondern wirkt — wie ein Schlag, der nachhallt.