Jedermann bei den Salzburger Festspielen 2024: Philipp Hochmair in der Titelrolle

Philipp Hochmaier „Jedermann“ Darsteller, Foto: © Christa Linossi 2024

In der Vergangenheit, bevor die Premiere von JEDERMANN am Samstag, 20. Juli 2024, bei den Salzburger Festspielen als Eröffnung zur Festspielsaison 2024 vom „Sterben des reichen Mannes“ über die Bühne ging, ist bereits ein Hype um den neuen Jedermann-Darsteller Philipp Hochmair entbrannt.

Zum ersten Mal hatte ich das Vergnügen, am Montag, den 22. Juli 2024, leider nicht auf dem Domplatz – der Wettergott hatte kein Einsehen – das berühmte Schauspiel „Jedermann“ im Großen Festspielhaus in Salzburg zu sehen. Das Stück von Hugo von Hofmannsthal ist ein fixer Bestandteil der Salzburger Festspiele und wird – sofern das Wetter mitspielt – jedes Jahr vor der beeindruckenden Kulisse des Salzburger Doms aufgeführt.

Salzburger Festspiele Robert Carsen
Foto: Neumayr/Leopold

Die Übertragung des „Jedermann“ ins 21. Jahrhundert ist Robert Carsen mit seiner diesjährigen Neuinszenierung gelungen. Er verwandelte die Bühne mit dem Dom als Kulisse in ein beeindruckendes, modernes und zugleich zeitloses Bühnenbild. Der Einsatz von Licht und Schatten sowie die minimalistischen, aber effektvollen Szenerien unterstrichen die dramatischen Momente des Stückes perfekt. Besonders hervorzuheben ist die Szene, in der „Jedermann“ von seinen Reichtümern Abschied nimmt; das Bühnenbild verstärkte die emotionale Tiefe dieser Momente erheblich.

Salzburger Festspiele 2024/ Hugo von Hofmannsthal/ Jedrmann/ Premiere am 20.Juli 2024//
Robert Carsen: Regie/ Robert Carsen, Luis F. Carvalho: Bühne/ Luis F. Carvalho: Kostüme/ Robert Carsen, Giuseppe di Iorio: Licht/ Rebecca Howell:Choreografie/David Tushingham:Dramaturgie//
Philipp Hochmair:Jedermann, Deleila Piasko: Buhlschaft © SF/Monika Rittershaus

Die schauspielerische Leistung von Philipp Hochmair in der Titelrolle war von beeindruckender Intensität und Tiefe. Besonders berührend war seine Fähigkeit, die innere Zerrissenheit und schließlich Reue des „Jedermann“ darzustellen.

Jedermann 2024: Philipp Hochmair (Jedermann)
© SF/Monika Rittershaus

Auch Deleila Piasko als Buhlschaft überzeugte. Sie brachte eine Mischung aus Charme und Stärke in ihre Rolle, die perfekt zu der dynamischen Beziehung zwischen Jedermann und seiner Geliebten passte.


Jedermann 2024: Deleila Piasko (Buhlschaft), Philipp Hochmair (Jedermann)
© SF/Monika Rittershaus

Auch die Nebenrollen waren hervorragend besetzt. Die Darsteller des Todes, des Glaubens und anderer allegorischer Figuren verliehen der Aufführung eine zusätzliche Dimension. Ihre Darbietungen trugen dazu bei, die moralischen und spirituellen Themen des Stückes zu unterstreichen.

Jedermann 2024: Dominik Dos-Reis (Tod), Philipp Hochmair (Jedermann)
© SF/Monika Rittershaus

Beeindruckend ist auch, wie Carsen die Tischgesellschaft in eine Party, wie sie die Reichen und Schönen feiern, in eine Art Disco verwandelt. Ein Kellner, der Bote des Todes, schenkt Jedermann reinen Wein ein, und die Gesellschaft flieht, als Jedermann mitgeteilt wird, dass seine Zeit abgelaufen sei und er sich auf seine letzte Reise vorbereiten müsse. Verzweifelt versucht Jedermann, jemanden zu finden, der ihn auf dieser Reise begleitet, doch seine Freunde, seine Geliebte und sogar sein Reichtum verlassen ihn. Am Ende bleibt ihm nur der Glaube, der ihn auf seinem Weg begleitet und ihm hilft, seine Sünden zu bereuen. Durch diese Reue wird er schließlich von Gott begnadigt und findet Erlösung.

Jedermann 2024: Lukas Vogelsang (Dicker Vetter), Daniel Lommatzsch (Dünner Vetter), Ensemble
© SF/Monika Rittershaus

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die diesjährige Aufführung des „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen ein beeindruckendes Erlebnis war. Die Kombination aus hervorragenden schauspielerischen Leistungen, einer modernen Inszenierung und der einzigartigen Kulisse des Salzburger Doms machten das Stück zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Premiere Jedermann 2024 Schlussapplaus: Rebecca Howell (Choreografie), Luis F. Carvalho (Kostüme), Robert Carsen (Regie), Giuseppe di Iorio (Licht), David Tushingham (Dramaturgie), Lukas Vogelsang (Dicker Vetter), Kristof Van Boven (Mammon), Dörte Lyssewski (Ein armer Nachbar / Werke), Deleila Piasko (Buhlschaft), Philipp Hochmair (Jedermann), Christoph Luser (Jedermanns guter Gesell/Teufel), Ensemble
© SF/Marco Borrelli

Aber um die volle Wirkung und die tiefen emotionalen und moralischen Botschaften des Stückes zu erleben, empfehle ich jedem, sich den „Jedermann“ selbst anzusehen. Es ist eine Aufführung, die nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt und lange im Gedächtnis bleibt.

https://www.salzburgerfestspiele.at/karten/kalender

Robert Carsen: Neue Inszenierung von ‚Jedermann‘ für das 21. Jahrhundert

am 02.07.2024 – während des Gesprächs in der SalzburgKulisse, Festspielhaus, Salzburg, Österreich Foto: JAN FRIESE –

Das Gespräch führte David Tushingham (= David Tushingham ist ein englischer Dramaturg) mit Regisseur Robert Carsen, es ging um die Neuproduktion von JEDERMANN.

am 02.07.2024 – während des Gesprächs in der SalzburgKulisse, Festspielhaus, Salzburg, Österreich Foto: JAN FRIESE –

Wird es Robert Carsen gelingen, den JEDERMANN endlich ins 21. Jahrhundert zu bringen?

Auf die Frage von Tushingham: „Hättest du jemals gedacht, dass du dieses Stück einmal bei den Salzburger Festspielen inszenieren würdest?“

Robert Carsen: „Nicht in meinen kühnsten Träumen – aber ich freue mich sehr darüber. Als Markus Hinterhäuser mich fragte, ob ich JEDERMANN inszenieren würde, war ich erstaunt, dass er sich noch an das lange, intensive Gespräche erinnerte, dass wir ein paar Jahre zuvor über Hugo von Hofmannsthal geführt hatten. Seit ich das erste Mal mit Hofmannsthals Werk in Berührung gekommen bin, begeistert es mich, und ich habe fünf der sechs Opern, die er mit Richard Strauss geschrieben hat, auf die Bühne gebracht. Außerdem habe ich mich lange mit Hofmannsthals Werke in der breibändigen englischen Übersetzung beschäftigt – wobei JEDERMANN interessanterweise darin gar nicht enthalten ist! Auch die englische Moralität EVERYMAN war mir vertraut, da ich sie an der Schauspielschule studiert hatte“.

Soweit der Einstieg in den Talk. Ich habe mir die Frage gestellt, was Carsen besser machen könnte, um dieses Stück JEDERMANN nicht verstaubt und interessant ins 21.Jahhundert zubringen. Schließlich wird dieses Stück seit 100 Jahren immer wieder bei den Salzburger Festspielen gespielt und von vielen Regisseuren immer wieder neu und anders inszeniert.

„Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal fand 1911 in Berlin als Uraufführung, jedoch nicht erfolgreich, war es für Salzburg eine Verlegenheitslösung. Denn das ursprünglich vorgesehene Auftragswerk war nicht fertig geworden. Max Reinhardt bat den Salzburger Erzbischof Ignatius Rieder, das „Spiel von dem Sterben des reichen Mannes“ vor dem Dom aufführen zu dürfen. Somit wurde „Jedermann“ – Regie führte Max Reinhardt – im August 1920 einmal in Salzburg aufgeführt und aus einer Verlegenheitslösung wurde es ein Jahrhundert Stück. Dies ist einmalig, denn es gab noch nie in der Geschichte der Kunst, dass ein Stück so lange gespielt wurde wie „Jedermann“. Obwohl „Jedermann“ 8 Jahre lang in der Zeit von 1938 bis 1946 nicht mehr gespielt wurde, Max Reinhardt ging 1937 nach New York und 1938 wurde das Stück von den Nationalsozialisten gestrichen.  Erst als 1946 Helene Thimig, die Witwe von Max Reinhardt, nach Salzburg/Österreich zurückkehrte – Max Reibhardt verstarb 1943 im amerikanischen Exil – steht seit 1946 das Stück Hofmannsthals JEDERMANN wieder auf dem Programm.

Ich persönlich konnte den Jedermann nicht mehr hören, aber als ich Carsen zuhörte, kam ich ins Nachdenken. Robert Carsen hat einen neuen Blick auf den “Jedermann” geworfen und betont, dass hinter dem Stück mehr steckt, als wir oft wahrhaben wollen. Die Bedeutung des Titels “Jedermann” ist vielschichtig und regt zum Nachdenken an. Hofmannsthals Texte sind in der Tat reich an Symbolen und Intentionen, aber Carsen betont, dass noch weitere Facetten im Text verborgen sind. Es ist spannend zu sehen, wie ein klassisches Werk immer wieder neue Perspektiven eröffnet!

Carsen unterstreicht die Wichtigkeit, das Stück neu zu überdenken und einen innovativen Ansatz zu wählen. Der „Jedermann“ wurde in der Vergangenheit oft zu traditionell dargestellt. Durch ein frisches Team und eine Bühnenarchitektur, die sich stärker in die Darbietung einfügt und sogar die Fassade des Salzburger Doms miteinbezieht, soll das Stück auf eine interessante Art und Weise in das 21. Jahrhundert geholt werden. Carsen ist es wichtig, dass das Publikum eine Verbindung zur Hauptfigur aufbauen kann und hebt die Relevanz des zentralen Themas hervor: den Tod, der uns alle eint. Philipp Hochmair wird in dieser fesselnden Neuinszenierung die Hauptrolle des Jedermann spielen. Es ist ebenso beeindruckend zu beobachten, wie ein klassisches Werk kontinuierlich neu interpretiert wird, um es für das heutige Publikum bedeutsam zu gestalten.

Salzburger Festspiele Shooting mit Deleila Piasko (Buhlschaft) und Philipp Hochmair (Jedermann) in Salzburg Foto: Neumayr/Leopold 24.06.2024

Robert Carsen hat mir auch geholfen, den „Jedermann“ anders zu sehen, man muss sich viel mehr damit auseinandersetzen, ihn öfter lesen, um zu verstehen, wie die vielen einzelnen Szenen zusammenhängen. Laut Carsen: „Hofmannsthal hat ein „Mysterienspiel“ geschrieben, das viele „mysteriös“ in sich birgt, die jede Inszenierung zu entschlüsseln.“

Robert Carsen, geboren in Kanada, absolvierte eine Schauspielausbildung an der Bristol Old Vic Theatre School und wandte sich anschließend der Regie sowie dem Bühnenbild zu. Er hat zahlreiche Opernproduktionen inszeniert. Im Jahr 2024 führte er bei Mozarts „La Clemenza di Tito“ während der Salzburger Pfingstfestspiele Regie.

Wir freuen uns auf die Neuinszenierung des „Jedermann“ und hoffen, dass sie mehr als nur ein flüchtiger Trend sein wird.

Premiere des Stücks ist am 20. Juli 2024 am Domplatz in Salzburg.

https://www.salzburgerfestspiele.at/p/jedermann-2024