Jazz trifft Gipfel – Klangreise zur Einsiedelei

„Jazz unter Heiligen – Laura Jurd & Jon Irabagon in der Einsiedelei“ Foto: © Christa Linossi 2025

Ein Ort der Stille, der Kraft und der Kontemplation: Die Einsiedelei am Palfen thront seit dem 17. Jahrhundert auf einem Felsen oberhalb des Schlosses Lichtenberg. Als eine der letzten bewohnten Eremitagen Europas gilt sie als Rastplatz der Seele – mit Blick über das Saalfeldner Becken und einer spürbaren Energie, die viele berührt.

„Einsiedelei Nr. 12 – Wo das Leiden seine Macht verliert“ Foto: © Christa Linossi 2025

Seit 2024 ist dieser spirituelle Ort Teil des Jazzfestival Saalfelden. Am 22. August 2025 wurde die Kanzel im Felsen erneut zur Bühne für ein außergewöhnliches Konzert: Die britische Trompeterin Laura Jurd und der amerikanische Saxofonist Jon Irabagon spielten ein improvisiertes Intermezzo, das sich nahtlos in die Atmosphäre der Einsiedelei einfügte.

„Da die Tür zur Eremitage offenstand, warf ich einen Blick in den Wohnbereich des Einsiedlers. Eine schlichte Behausung, in Felsen geschlagen, die Wände weiß getüncht. Gleich beim Eingang hängen die Porträts der Männer, die hier lebten – zwei von ihnen waren über 25 Jahre Einsiedler.“

„Ein Blick ins Innere – schlichtes Leben, große Hingabe“ Foto: © Christa Linossi 2025

Die Musiker:innen

  • Laura Jurd (*1990, UK) verbindet Jazz mit Folk und klassischer Musik. Bekannt durch ihr Quartett Dinosaur, wurde sie mehrfach ausgezeichnet und komponierte u.a. für das BBC Concert Orchestra.
  • Jon Irabagon (*1979, USA) ist ein genreübergreifender Saxofonist mit philippinischen Wurzeln. Gewinner des Thelonious Monk Wettbewerbs, bekannt für seine virtuose Improvisation und kreative Vielseitigkeit.

Klang zwischen Felsen und Figur

Die Musik hallte zwischen den Felswänden, getragen von der Kanzel tief im Berg. Oberhalb lauschten die steinernen Heiligen mit Christus dem Konzert – eine Szenerie, surreal und berührend. Wanderer und Jazzliebhaber hatten sich auf den Weg gemacht, um diesen besonderen Moment zu erleben. Die Stimmung war still, konzentriert, fast meditativ.

Die drei Nischen der Einsiedelei – mit Kreuz, Grabnische und Kapelle – erzählen von christlicher Ikonografie. Doch der Eremitengedanke reicht weit über religiöse Grenzen hinaus. Bereits 1560 wurde hier ein Bildnis des Heiligen Georg verehrt. Der Franziskaner Thomas Pichler erhielt 1664 die Erlaubnis, sich hier als Einsiedler niederzulassen und errichtete mit seinen Brüdern die Klause, die bis heute Besucher in ihren Bann zieht.

„Hinab nach Saalfelden – wo Jazz die Stille küsst“, Foto: © Christa Linossi 2025

Im Rückzug der Klause, wo Gedanken sich entkleiden, wächst Klang aus der Stille – wie Jazz, der nicht fragt, nur antwortet. Hier oben, wo der Wille Gottes leise spricht, verliert das Lautsein seine Dringlichkeit. Und doch: unten im Tal, ein Saxofon, das träumt – vom Alleinsein, das nicht einsam ist.

Der Palfen – mehr als ein Felsen

„Palfen“ bezeichnet ursprünglich einen überhängenden Felsen oder eine Höhle – ein Ort des Rückzugs und der Wandlung. Dass hier nun auch Jazz erklingt, ist eine poetische Erweiterung dieses Gedankens: Musik als spirituelle Erfahrung, als Brücke zwischen Welten.

Der Weg zur Einsiedelei beginnt nicht erst am Fuß des Berges – er beginnt im Inneren. Wir gingen falsch, standen vor Fels und Fall, mussten umkehren. Doch gerade das Umkehren war Teil der Befreiung. Denn wer den richtigen Pfad findet, findet nicht nur die Klause – sondern auch sich selbst in einer unscheinbaren Freiheit. Oben angekommen: kein Triumph, sondern Stille. Und in dieser Stille – ein Klang, der bleibt.

Wo die Musik überrascht – Jazzfestival Saalfelden 2025

JAZZFESTIVAL Saalfelden 2025 / Foto: MichaelGeißler

Die Zeit steht nicht still, und das Jazzfestival Saalfelden steht bereits in den Startlöchern. 2025 feiert das Festival seine 45. Ausgabe, die vom 21. bis 24. August stattfinden wird.

Es erwartet die Besucher:innen ein musikalisches Wochenende voller Überraschungen, Experimente und inspirierender Begegnungen mit 184 Künstler:innen aus 26 Nationen.

Beliebte Formate wie die bereits ausgebuchte „We Hike Jazz“-Wanderung unter der Leitung von Bassist Lukas Kranzelbinder, die experimentellen Shortcuts und die kostenlosen „City Tracks“ in der Stadt bleiben erhalten. Darüber hinaus dürfen sich Besucher:innen auf weitere außergewöhnliche Konzertorte freuen.

Ein besonderes Highlight ist erneut die Konzertwanderung zur stimmungsvollen Einsiedelei aus dem 17. Jahrhundert, hoch über Schloss Lichtenberg. Dieser magische Ort begeisterte bereits im Vorjahr und wird auch 2025 wieder ein Fixpunkt des Festivals sein.

Das Trio verspricht eine spannende musikalische Begegnung. Es besteht aus Kalle Kalima (finnischer Jazzgitarrist und Komponist), Leo Genovese (argentinischer Keyboarder) und Christian Lillinger (deutscher Schlagzeuger). „Abenteuerliche Nebenrouten sind oft fruchtbarer als die Autobahn“, so Kalima. Die Premiere dieses Projekts vereint Kalimas Kompositionen mit gemeinsamen Improvisationen von Genovese an Keyboards, Orgel, Rhodes und Moog. Lillingers spezieller Groove ergänzt diese Darbietungen. Man darf gespannt sein, ob diese drei elektrischen Allstars das magische rhythmische Plateau erreichen werden.

https://www.jazzsaalfelden.com/de/Festival

Das Festival bleibt auch 2025 eine Spielwiese für musikalische Begegnungen. In der Impro-Session trifft Teis Semey in der Buchbinderei Fuchs auf Kirke Karja. Er steht mit seinem großformatigen Projekt „EN MASSE!“ auf der Hauptbühne. Laura Jurd präsentiert nicht nur ihr neues Album, sondern ist auch in zwei ungewöhnlichen Duo-Formationen zu erleben – einmal in der Einsiedelei mit Jon Irabagon, ein weiteres Mal im Wald mit Nicolas Leirtrø. Zahlreiche Konstellationen feiern Premieren und loten die spannungsreiche Zone zwischen Improvisation und Komposition neu aus.

Auch österreichische Musiker:innen sind vertreten, darunter:

  • Chez Fria
  • „Nothing Causes Anything“von Vincent Pongracz
  • Lukas König im Duo mit Kasho Chualan
  • Alfred Vogel mit dem BEZAU BEATZ Orchestra of Good Hope
  • Trio „Eyes to the Sun“mit Leo Genovese und Camila Nebbia

Das Projekt „Der kürzeste Weg“ von Rosa Andraschek und Simon Nagy thematisiert den Widerstand des Eisenbahners Karl Reinthaler. Er setzte sich gegen das NS-Regime zur Wehr. Fünf fixe Hörstationen im öffentlichen Raum Saalfeldens erzählen seine Geschichte. Eine sechste Station im Urslaupark bringt ein Musikstück von Lukas Kranzelbinder und Sun-Mi Hong zu Gehör. Es ist ein Klangdenkmal für zehn weitere Widerstandskämpfer. Beim Festival wird dieses Werk an drei Tagen live von Kranzelbinder und Hong interpretiert. Weitere Bass-Schlagzeug-Duos schließen sich an. Dies geschieht exklusiv in der Buchbinderei Fuchs.

Auszeichnung für das Festival Das Jazzfestival Saalfelden wurde kürzlich mit dem EJN Programming Award 2025 ausgezeichnet. Diese Auszeichnung würdigt die künstlerische Handschrift von Mario Steidl. Er setzt konsequent auf Experimentierfreude und Innovation. Der Preis ist nicht nur eine Würdigung des bisher Geleisteten. Vielmehr ist er auch ein Auftrag, weiterzugehen. Musik überwindet Grenzen. Sie überrascht und öffnet neue Räume..

https://www.jazzsaalfelden.com/de/Festival

Im Sommer locken Wanderungen und Jazzklänge, im Winter übernehmen die Ski die Hauptrolle – Saalfelden bleibt das ganze Jahr über ein Hotspot für besondere Erlebnisse.