Schauspiel nach dem gleichnamigen Roman von Mareike Fallwickl / Uraufführung am Landestheater Salzburg im Rahmen der Salzburger Festspiele 2023
Regisseurin Jorinde Dröse fiel im März 2022 das Buch „Die Wut, die bleibt“ in die Hände und war von dem Thema „Frau und Mutter sein“ so angetan, dass sie es unbedingt auf die Bühne bringen wollte. Die Geschichte nahm ihren Lauf und so überzeugte sie (die scheidende Schauspieldirektorin der Salzburger Festspiele) Bettina Hering und so kam es zur Uraufführung der zweistündigen Inszenierung, die als Koproduktion der Salzburger Festspiele mit dem Schauspiel Hannover entstand.
Die Regisseurin Jorinde Dröse erreicht mit ihrer Inszenierung nicht ganz die Kraft des Romans. Eine kurze Nacherzählung ist nicht schlecht, aber auch nicht überzeugend. Aber es ist auch schwer, einen Roman so zu erzählen, wie es im Buch steht.
Das Bühnenbild

Katja Haß (Bühne) hat den Wohnraum, der mal Helenes, mal Sarahs Wohnung ist, als schmucklosen Baukasten auf Stelzen gestellt. Oben – wohlgemerkt noch oben – ist also die patriarchalisch organisierte Welt der Familie. Aber unten ist etwas in Bewegung geraten! Dass die Mädchen aufwachen, dass ihr Selbstbewusstsein so positiv wächst, das wird in den Musicalnummern auch visuell ausgedrückt: Die Choreografie stammt von Suzan Demircan.
ZUM THEATERSTÜCK
SalzburgerFestspiele
Ein Abendessen, wie es in einer Familie normaler nicht sein könnte: Der Tag war lang, in der Wohnung herrscht Chaos. Die Kinder sind nörgelig und laut. Eine einzige Frage bringt die Familie schlagartig aus dem Gleichgewicht. „Haben wir kein Salz?“, fragt Johannes in die Runde. Ganz allgemein, nicht an seine Frau gerichtet, sondern an alle. Es ist eine einfache, eine ganz normale Frage. In diesem Moment steht Helene auf, geht zur Balkontür und stürzt sich ohne ein weiteres Wort in die Tiefe, viele Stockwerke in die Tiefe. Ihrem Mann und ihren drei Kindern wird in den folgenden Wochen schmerzlich deutlich, wie sehr sie als Mittelpunkt die Familie zusammengehalten hat, mit ihrer Fürsorge, ihrer Liebe, ihrem Trost. Wie weiterleben mit dem Gefühl der Schuld, der Trauer, aber auch des Unverständnisses?

© SF/Kerstin Schomburg
Auch Sarah, Helenes beste Freundin, quälen diese quälenden Fragen. Warum hat sie nicht gesehen, wie es ihrer Freundin wirklich geht? Sie will helfen, wenigstens jetzt für die Familie da sein. Als Freundin scheint sie versagt zu haben. Sarah springt in die Bresche, wird zur Stütze für den völlig überforderten Johannes. Sie kümmert sich um den Haushalt, sie kümmert sich um die Kinder. Nur für eine Weile, bis alle wieder festen Boden unter den Füßen haben.
Die eigentliche Hauptfigur ist Lola, die älteste Tochter (Nellie Fischer-Benson). Hin- und hergerissen zwischen Trauerarbeit und pubertärer Selbstfindung ist sie ständig rebellisch. Vehement und argumentativ beginnt sie sich gegen Rollenzuschreibungen zu wehren.

© SF/Kerstin Schomburg
Eine Mädchenbande, angeführt von Lola, setzt sich Wollmützen mit Augenschlitzen auf. Sie beginnen, die Männer zu verprügeln. „Lola rechtfertigt ihr Tun: „Das ist nichts anderes als späte Notwehr. Motto: Schlag selbst zu, sonst tut es keiner. Auch Sarah bekommt schließlich Schützenhilfe von der Mädchengang.

© SF/Kerstin Schomburg
Und so hat Frauensolidarität in diesem Stück am Ende sogar etwas Generationenübergreifendes.
Es gibt noch eine ganze Reihe von Fragen, die das Stück für mich aufgeworfen hat. Zum Beispiel der Selbstmord! Das muss ein langer Schatten gewesen sein.
Gleichberechtigung, dafür hat Alice Schwarzer in den 70er Jahren gekämpft und dafür kämpft sie noch immer. Sie war die meistgehasste Frau ihrer Generation. Wo stehen wir heute? Statt voranzukommen, sind wir wieder stehen geblieben. Was wir brauchen, dass Männer und Frauen an einem Strang ziehen, als Team arbeiten und sich gegenseitig wertschätzen (Wertschätzung ist ein Wort, das viel zitiert, aber selten gelebt wird!), ist noch nicht wirklich im 21. Jahrhundert angekommen. Man muss bereit sein, sachliche Diskussionen zu führen, um voranzukommen. Was ist mit den alleinerziehenden Frauen? Auch das ist ein gesellschaftliches und politisches Problem.
Noch bis zum 29. August 2023 ist der Roman „Die Wut, die bleibt“ im Rahmen der Salzburger Festspiele im Landestheater Salzburg zu sehen. Sie können sich aber auch das Buch „Die Wut, die bleibt“, dass im Rowohlt Verlag erschienen ist, zu Gemüte führen.
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