
so lautete der Titel der diesjährigen Ars Electronica. Es war ein Festival, das sich der allgegenwärtigen Ungewissheit im Schatten zahlreicher Krisen widmete. Die Veranstaltung zeigte, wie Kunst zur Bewältigung beitragen kann.
Der Startschuss fiel am 3. September 2025, das Festival dauerte bis zum 7. September. Für mich war es wie jedes Jahr ein Pflichttermin. Kaum ist es vorbei, beginnt schon wieder die Vorbereitung für 2026.
Zurück zum heurigen Festival: Die Stadt vibrierte. Nicht nur vor digitaler Energie, sondern auch vor Fragen, die unsere Zukunft formen. Ich war bei der Eröffnung dabei. Und obwohl ich nur einen Bruchteil der Ausstellungen gesehen habe – in der PostCity, im Lentos und an der Kunstuniversität.
Zwei Start-ups haben mich besonders fasziniert:
- GODOT, ein japanisches Unternehmen mit Wiener Forschungsbasis, das mit drei KI-Systemen die menschliche Entscheidungsfähigkeit neu denkt.
- SHOW ME YOUR FACE, ein Projekt der JKU Linz, das mithilfe von DNA-Daten und KI unsere Gesichter vorhersagen will – oder zumindest die Idee davon. Science oder Fiction? Vielleicht beides. Was mich hier besonders faszinierte: Man bekam eine 3D-Brille aufgesetzt und konnte die Personen in der eigenen Umgebung wahrnehmen. Doch plötzlich erschienen links und rechts davon überdimensionale Roboter- und Avatar-Gesichter – wie aus einer anderen Realität. Es war irritierend und gleichzeitig hypnotisch.
- Ein besonders eindrucksvolles Objekt war LIMINAL RING von Jin Lee (KR). Sein begleitender Text: „Der Mensch neigt dazu, alles ersetzen zu wollen, was er nicht direkt kontrollieren kann.“


Ein Werk, das mich besonders beeindruckt hat, war LIMINAL RING von Jin Lee (KR). Sein begleitender Text lautete: „Der Mensch neigt dazu, alles ersetzen zu wollen, was er nicht direkt kontrollieren kann.“
LIMINAL RING ist eine Studie über den menschlichen Drang, Chaos zu zähmen. 384 präzise eingestellte Ventilatoren erzeugen ringförmige Luftströme – flüchtige Strukturen, die sich in einem größeren, turbulenten Feld verlieren. Was entsteht, ist ein Wechselspiel aus Ordnung und Auflösung. Ein Versuch, das Unkontrollierbare zu beherrschen – und zugleich ein Beweis für die Grenzen dieses Vorhabens. Die Installation greift Ideen der postindustriellen Kultur auf, in der Technik als ultimatives Werkzeug zur Kontrolle gilt. Doch hier zeigt sich: Kontrolle ist Illusion. Schönheit entsteht im Moment des Scheiterns.
Im Lentos Kunstmuseum Linz, zwischen Lichtreflexen und digitalen Klanglandschaften, stand ich vor einem vier Meter hohen Roboter. Starr, skelettartig, fast sakral. Die Installation „Requiem for an Exit“ von Frode Oldereid und Thomas Kvam war kein technisches Spektakel – sie war ein philosophischer Schock. Der Roboter sprach. Nicht laut, nicht reißerisch. Sondern mit einer Stimme, die sich wie ein liturgischer Monolog durch den Raum zog. Er sprach von Genozid, von kollektiver Erinnerung, von der dunklen DNA der Menschheit. Keine Erlösung. Kein Trost. Nur ein Spiegel, der uns zwingt, hinzusehen. Was mich besonders berührte: Der Roboter wandte sich immer wieder dem Publikum zu – als würde er jeden Einzelnen direkt adressieren. Diese schaurige Botschaft wurde nicht einfach präsentiert, sie wurde überbracht. Und das hyperrealistische Gesicht erzeugte Nähe und Unbehagen zugleich. Es war kein Musikstück, sondern ein akustisches Feld, das den Raum durchdrang. Kritik und Komplizenschaft – ein Werk, das uns mit unserer eigenen Rolle in historischen Zyklen konfrontierte.


Auch die Ars Electronica Campus-Ausstellung – seit Bestehen des Formats eine Kooperation mit der Kunstuniversität Linz – bot wieder eine Plattform. Sie wurde genutzt, um zu erkunden, wie angehende Künstler:innen geprägt werden. Dies geschieht nicht nur durch technologische Entwicklungen, sondern auch durch ihre Lernumgebung. Die Kunstuniversität Linz präsentierte ihr Motto: ALLES.IMMER.OFFEN. Eine überdimensionierte Zunge am Infopoint reagierte auf Passant:innen, während die Soundinstallation mit singenden Schiebetüren am Hauptplatz für akustische Irritationen sorgte.

Ich bin mit mehr Fragen gegangen, als ich gekommen bin – und das ist gut so. Seitdem kreisen die Gedanken wie Satelliten um ein Thema, das größer ist als ich. Was bleibt, ist nicht nur der Nachhall digitaler Klangräume. Es ist auch die Erkenntnis, dass Kunst uns nicht erlöst. Aber sie lehrt uns, genauer hinzusehen.
Alle gezeigten Fotos wurden im Rahmen des Ars Electronica Festivals 2025 aufgenommen. Einige Bilder zeigen Installationen oder Videostills aus urheberrechtlich geschützten Werken. Die Rechte an den gezeigten Inhalten liegen bei den jeweiligen Künstler:innen, Institutionen oder Projektpartner:innen. Die Verwendung erfolgt ausschließlich zu dokumentarischen und journalistischen Zwecken.
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