„Altaussee schreibt mit – ein literarischer Spaziergang“

Altaussee, wo Geschichten wurzeln und die Zukunft durch Solarpanels blinzelt – ein Besuch im Literaturhaus, das mehr ist als nur ein Gebäude./ © Christa Linossi 2025

Der Sommerfrische auf der Spur… Immer wenn ich von Graz Richtung Salzburg fahre, meide ich die Autobahn. Mein Rückweg führt mich stattdessen durch das Salzkammergut – eine Route voller Sehnsucht und literarischer Verheißung. Wie Gustav Klimt einst schrieb: „Ich sehne mich hinaus wie noch nie…“ – ein Satz, der auch meine Vorfreude beschreibt, wenn ich dem Attersee entgegenblicke und schließlich in Altaussee ankomme.

Der Altausseersee, ein Bergsee am Südwestfuß des Toten Gebirges, liegt im steirischen Teil des Salzkammerguts – und das Kleinod Altaussee, mit seinen 1913 Einwohnern, ist immer wieder einen Spaziergang wert.

Blick auf Altaussee – ein Dorf, das Geschichten atmet.© Christa Linossi 2025

Aber warum zieht es mich immer wieder in diesen Ort?

Es ist das kleine, feine Literaturmuseum, das prominente Literat:innen präsentiert – und das Kuriositätenkabinett des Ausseer Malers Prof. Horst K. Jandl, das medial einzigartig ergänzt wurde. Das Museum wurde neugestaltet und ist seit Januar 2024 wieder für Besucher geöffnet. Es zeigt Persönlichkeiten, die in Altaussee gewirkt haben und wirken. Originale wie das Fahrrad von Theodor Herzl oder die Stimme von Friedrich Torberg bereichern die Ausstellung.

Theodor Herzl war einer der bedeutendsten Vordenker des politischen Zionismus. Er gilt als geistiger Vater des modernen Staates Israel. Ab 1894 verbrachte er die Sommer in Altaussee. Er war in Begleitung von Freunden wie Hugo von Hofmannsthal, Richard Beer-Hofmann und Ferdinand Leopold von Andrian-Werburg. Er wohnte im Gasthof Schneiderwirt in Altaussee und es blieb für ihn und seiner Familie die folgenden drei Jahre (ab 1901) als Urlaubsquartier. Ein besonderes Erinnerungsstück an diese Zeit blieb im Haus Schneiderwirt zurück – Herzls Fahrrad „Victoria Blitz“, auf dem er in Altaussee das Radfahren lernte. Ein stummes Zeugnis jener Sommer – und heute ein Herzstück der Ausstellung.

„Victoria Blitz“ – das Fahrrad von Theodor Herzl, dem Vordenker des politischen Zionismus. Mobilität als Metapher für Vision.Foto: © Christa Linossi 2025

Gedankenspiele am See – eine poetische Annäherung

Das Museum erstrahlt seit seiner Neugestaltung im Januar 2024 in neuem Glanz und würdigt Hugo von Hofmannsthal nicht nur als Dichter, sondern als kulturellen Visionär, dessen Sommeraufenthalte im Ausseerland weit über das Private hinausreichten. Zwischen Manuskripten, Briefen und Fotografien entsteht ein Raum, in dem Geschichte nicht nur bewahrt, sondern lebendig wird.

Hugo von Hofmannsthal – Dichter der Seele und Mitbegründer der Salzburger Festspiele.Foto: © Christa Linossi 2025

Altaussee war für Hofmannsthal ein bedeutender kultureller Resonanzraum. Obwohl sein „Jedermann“ 1911 in Berlin entstand, entwickelte er hier – in den Sommern bei Yella Oppenheim – gemeinsam mit Künstlern wie Max Reinhardt jene Visionen, die später in die Salzburger Festspiele mündeten.

Der Ort wurde zum kreativen Refugium und zur Keimzelle eines kulturellen Aufbruchs, dessen Echo bis heute nachhallt. Ab 1920 wurde „Jedermann“ zum zentralen Stück der Festspiele – und Altaussee zum stillen Mitautor.

Hier, wo Hofmannsthal über dreißig Sommer verbrachte, wo Gespräche unter Linden zu Bühnenideen wurden, darf auch die Imagination ihren Platz finden. Denn das Museum ist nicht nur Archiv, sondern Bühne – für Gedanken, Gespräche und Szenen, die sich im Geiste so oder ähnlich zugetragen haben.

In diesem Geist entstand die folgende literarische Miniatur: eine poetische Szene, die den Geist Altaussees einfängt und Hofmannsthals „Jedermann“ in jenes Licht taucht, das nur der See kennt. Und während Hofmannsthal am Seeufer über den Tod sinnierte, wanderte eine andere historische Figur ganz real durch die Landschaft…

Kaiserliche Fußnote – Sissy in Altaussee

Kaiserin Sisi in Altaussee – auf Wanderung von Bad Ischl, dem Herzen, bis zum See, der schweigt. Foto: © Christa Linossi 2025

Eine fast vergessene Geschichte flüstert durch die Gänge: Auch Kaiserin Elisabeth von Österreich, liebevoll „Sissy“ genannt, soll einst von Bad Ischl nach Altaussee marschiert sein – eine Wanderung, die heute fast mythisch wirkt. Im Museum begegnet man ihr auf ungewöhnliche Weise: als Puppe, liebevoll inszeniert und eingebettet in die literarische Szenerie. So wird die kaiserliche Präsenz Teil der Erzählung – zwischen Hofmannsthal, Reinhardt und den stillen Ufern des Sees.

Barbara Frischmuth – die literarische Stimme Altaussees

Altaussee schreibt mit – ein literarischer Spaziergang Zwischen Herzls Fahrrad, Hofmannsthals Sommerträumen und Frischmuths Sprachspiel entfaltet sich ein Ort, der nicht nur bewahrt, sondern weiterträgt. Ein kleines Museum, ein großer Resonanzraum – und eine Bühne, auf der Worte weitergehen. Barbara Frischmuth – sichtbar im Wort, spürbar im Schreiben.
„Barbara Frischmuth – sichtbar im Wort, spürbar im Schreiben“ Foto: © Christa Linossi 2025

Neben den historischen Größen wie Hugo von Hofmannsthal ist im Literaturmuseum auch Barbara Frischmuth präsent. Das ist mit gutem Grund. Die vielfach ausgezeichnete Autorin ist in Altaussee geboren. Sie hat den Ort in vielen ihrer Werke literarisch durchdrungen. Ihre Texte sind durchzogen von Naturbeobachtungen, Sprachspiel und feinem Humor – und sie zeigen, dass Altaussee nicht nur ein Ort der Erinnerung, sondern auch der fortlebenden Literatur ist.

Frischmuths Präsenz im Museum ist mehr als eine Hommage – sie ist ein lebendiger Faden, der die literarische Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft. Zwischen Hofmannsthals „Jedermann“ und Frischmuths poetischen Miniaturen entsteht ein Dialog über Zeit, Sprache und Landschaft – ein Echo, das bis heute im Ausseerland nachhallt.

Ein kleines Literaturmuseum mit großer Wirkung: In Altaussee trafen sich Künstler:innen zur Sommerfrische, zum Austausch – und zur Inspiration. Was hier begann, wurde anderswo zu Weltliteratur. Und nicht nur Literat:innen wie Hofmannsthal, Frischmuth oder Herzl prägten den Ort – auch Schauspieler Klaus Maria Brandauer, gebürtiger Altausseer, zählt zu den kulturellen Aushängeschildern des Salzkammerguts. Seine Präsenz erinnert daran, dass Altaussee nicht nur schreibt, sondern auch spielt. Altaussee bleibt Bühne. Für Worte, für Stimmen, für Geschichten, die weitergehen.