Manchmal braucht es keinen Plan, keine Route, keine Absicht – nur ein paar Schritte durch die Stadt. Salzburg zeigt sich dabei von seiner besten Seite: zwischen Literaturaktionen, Kunstabbau, Festspieltrubel und rotem Teppich entfaltet sich ein ganz eigenes Schauspiel. Ich war mittendrin – als stille Beobachterin, als Zaungast, als jemand, der einfach nur schlendern wollte. Und dabei mehr gesehen hat, als man auf den ersten Blick vermuten würde.
Kein Berg, keine Landschaft – heute hatte ich einfach Lust auf ein Schlendern. Und zwar mitten durch die Stadt Salzburg.
Vom Parkplatz in Nonntal aus ging ich Richtung Innenstadt. Am Residenzplatz angekommen, begegneten mir bereits zahlreiche Menschen: Touristen, Einheimische – es war lebendig, fast trubelig.
Am Mozartplatz machten es sich viele gemütlich: in Sitzsäcken, Liegestühlen, auf Bänken. Was war los? „Salzburg liest“ – ein charmantes Event, bei dem Bücherregale aufgestellt werden und Literatur zum Schmökern einlädt.
Mozart hatte alles im Blick. Es war ein buntes Treiben: Die einen relaxten, die anderen vertieft in Bücher oder stöberten neugierig durch die Regale.
Mich zog es weiter zum Residenzplatz. Auch hier: Menschen, Absperrungen, gezückte Handys. Was gab es zu sehen? Die monumentalen Skulpturen von Jaume Plensa wurden Stück für Stück abgebaut.
Die fünf gigantischen Frauenköpfe verlassen Salzburg. „Secret Garden“ ist Geschichte. Einen Monat lang waren die Werke des katalanischen Künstlers zu sehen – nun gehen sie zurück nach Spanien und weiter nach Mexiko. Ein Kunsthändler hat sie für rund 185 Millionen Euro erworben.
Mozart hat nun wieder freie Sicht auf den Residenzplatz – keine Skulpturen mehr, die ihm den Blick verstellen.
„Secret Garden“ wurde zum Publikumsliebling. Die Podeste blieben sauber, die Besucher achteten auf die Kunst. Die Skulpturen verliehen dem Platz eine besondere Atmosphäre – schade, dass sie gehen mussten.
Ein Stück weiter, kurz vor der Residenz: erneut eine Menschenschlange. Es war die vorletzte Aufführung des Jedermann. Zaungäste hofften, einen Promi zu erspähen.
Ich gesellte mich dazu, lauschte Gesprächen. Eine ältere Dame erzählte einer jüngeren, sie habe heuer eine Karte ergattert – zweite Reihe, € 200. Die Jüngere staunte: „Nicht mehr? Ich dachte, die kosten über € 500!“
Die ältere Dame meinte, man müsse sich zwei Jahre im Voraus Karten sichern – was natürlich übertrieben war. Aber die Szene war köstlich: Halbwissen und Begeisterung schaukelten sich gegenseitig hoch. Ein Theater vor dem Theater. Ich stand daneben und musste schmunzeln.
Dann marschierte die Tischgesellschaft am Seitenausgang vorbei, die Festspielpräsidentin begrüßte mich herzlich. Manch ein Zaungast war irritiert: Wer ist diese Frau, dass sie so begrüßt wird?
Im Hintergrund: die amfAR-Gala. Vor der Alten Residenz wurde der rote Teppich ausgerollt. Glamour in Salzburg – fast eine halbe Million Euro wurde für die AIDS-Forschung gespendet.
Ich aber blieb Zaungast. Keine Onlinejournalistin heute. Nur stille Beobachterin.
Mit all diesen Eindrücken schlenderte ich zurück zu meinem Auto. Im Kopf bereits die Idee: Ich werde über diesen Spaziergang schreiben.
Probieren Sie es auch einmal aus – einfach durch die Stadt schlendern, innehalten, beobachten. Es ist erstaunlich, wie viele kleine Details man entdecken kann.
Ich liebe es, zu schlendern. Meinen Gedanken freien Lauf zu lassen.
Matthew David Burke, geboren 1972 in Sydney, Australien, ist Leadsänger, Songwriter und Gitarrist. Er studierte Informatik und Mathematik – doch mit einem Around-the-World-Ticket und seiner Gitarre im Gepäck zog es ihn hinaus in die Welt.
Seine Lebensreise ist geprägt von Höhen und Tiefen: Matt lebt mit der Diagnose Bipolare Störung. Seine Songs erzählen von dieser inneren Achterbahn, vom Reisen, Verlieren und Wiederfinden. Sie laden nicht nur zum Zuhören, sondern auch zum Nachdenken ein.
Seit zwei Jahrzehnten lebt er in Österreich. Aus seiner persönlichen Geschichte heraus setzt er sich mit Herzblut für die Enttabuisierung psychischer Erkrankungen ein. Er tut dies als Musiker. Er ist auch Mitbegründer des Salzburger „Peer Center“. Zudem möchte er anderen Mut machen, ihren eigenen Weg zu gehen.
Seine Musik kennt keine Grenzen – sie berührt Menschen in Salzburg ebenso wie in Sydney, wo der Umgang mit mentaler Gesundheit oft offener ist als in Europa.
Matt, du lebst seit über 20 Jahren in Österreich und engagierst dich intensiv für psychische Gesundheit. Du selbst hast Erfahrungen mit einer bipolaren Störung gemacht – wie hat dich das persönlich und musikalisch geprägt?
Matt: Matt—Baseline— steht für Klang mit Haltung – für Mut, Heilung und Wahrhaftigkeit.
Linossiartstory:
Was hat dich dazu bewegt, eine Band zu gründen, die sich für psychische Gesundheit einsetzt? Gab es einen entscheidenden Schlüsselmoment?
Matt: Das war ein Prozess über viele Jahre. Ein Schlüsselmoment war, als mir Prof. Aichhorn, Primarius, die Möglichkeit gab, mit meiner Band dorthin zurückzukehren, wo ich selbst Heilung erfahren hatte – in die Christian-Doppler-Klinik Salzburg. Nicht als Patient, sondern als Musiker. Dieser Auftritt hat alles verändert: Aus Musik wurde Mission.
Dabei wurde ich auch von anderen Musikerinnen mit Fokus auf Mental Health inspiriert und unterstützt. Der Austausch mit Künstlerinnen, die ähnliche Wege gehen, hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, gemeinsam Tabus zu brechen und Hoffnung zu schenken.
Linossiartstory:
Welcher persönliche Bezug zur seelischen Belastung hat dich dazu gebracht, für psychisch Erkrankte zu spielen – und dich über Musik für das Thema stark zu machen?
Matt: Ich habe in Kliniken auf beiden Seiten gestanden – als Patient und als Musiker. Und ich weiß, wie tief der Wunsch ist, gesehen zu werden – nicht als Diagnose, sondern als Mensch. Musik ist für mich eine Brücke. Wenn ich spiele, geht es nicht darum, zu heilen, sondern da zu sein. Echt. Und das hat Kraft.
Linossiartstory:
2012 hast du begonnen, regelmäßig „unplugged“ Solo-Auftritte in der psychiatrischen Christian-Doppler-Klinik in Salzburg zu geben. Wie kam es dazu? Was hat dich damals motiviert?
Matt: Die Idee kam aus einem tiefen inneren Drang. Musik sollte nicht nur als Ausdruck dienen, sondern als echte Verbindung für Menschen mit ähnlichen inneren Kämpfen. Hoffnung schenken, einfach durch ehrliches, verletzliches Dasein mit Musik.
Damals tourte ich durch Österreich und Bayern, trat auch in einigen Kliniken in Australien auf. Rückblickend war meine Haltung noch nicht in Balance, ich war innerlich nicht wirklich bereit. Es war, als wäre das Projekt ein paar Schritte weiter als ich selbst war.
Ich trat in einem psychiatrischen Krankenhaus auf – und war am nächsten Tag selbst Patient dort. Das war ein klarer Bruch, ein Moment der Wahrheit. Ein langer Weg zurück in die Harmonie begann.
Der Neustart 2022 kam zur richtigen Zeit. Ich hatte mich selbst besser kennengelernt und mein Umfeld stabilisiert. Nun durfte ich gemeinsam mit wundervollen, liebevollen Musiker*innen auftreten. Dieses Miteinander ist ein Geschenk. Und gibt dem Projekt eine Kraft, die damals gefehlt hat.
Linossiartstory:
Was hat dich schließlich dazu bewegt, aus deinen Solo-Auftritten heraus eine Band zu formen? Was war dabei ausschlaggebend?
Matt: Es ging nicht mehr nur um mich – es ging darum, etwas Größeres gemeinsam entstehen zu lassen. Die Band bringt eine neue Energie, eine neue Art von Verbindung. Wir unterstützen uns gegenseitig – musikalisch, aber auch menschlich. Ich habe erlebt, wie wichtig ein tragfähiges Netzwerk ist. Gemeinsam auf der Bühne zu stehen, ist ein starkes Zeichen: Wir sind viele, und niemand muss seinen Weg allein gehen.
Linossiartstory:
Musik kann ein Ventil sein für Schmerz, Angst oder Einsamkeit. Hast du Beispiele aus deinen Liedern, die genau das aufgreifen?
Matt: Ja, viele meiner Songs sind genau daraus entstanden. „Surrender“ beschreibt den Moment, in dem man aufhört zu kämpfen – nicht aus Resignation, sondern um Frieden mit sich selbst zu schließen. Es geht darum, tief durchzuatmen und loszulassen, was man nicht kontrollieren kann. Oft zeigen sich gerade in dieser neuen Ruhe – getragen von Vertrauen ins Leben und ins Universum – ganz von selbst die nächsten Schritte. Lösungen, die man im inneren Sturm nie gesehen hätte, treten plötzlich klar hervor.
„Mud Swim“ beschreibt das Gefühl, wie durch zähen Schlamm zu schwimmen – jeder Zug mühsam, jeder Atemzug schwer. Doch im Kampf gegen das Feststecken liegt eine stille Kraft: der Wille, nicht aufzugeben. Es ist ein Schwimmen durch Widerstand, das langsam, aber sicher zurück ins Licht führt.
Linossiartstory:
Wie sorgt ihr als Band für euer eigenes mentales Wohlbefinden? Gibt es Rituale oder Pausen, die euch helfen, in Balance zu bleiben?
Matt: Wir nehmen uns bewusst Zeit zum Reden. Nicht nur über Musik, sondern über das Leben. Vor jedem Auftritt checken wir nicht nur den Sound – sondern auch, wie es jedem geht. Und: Niemand muss performen, wenn er oder sie gerade nicht kann. Das ist unsere Basis – Respekt und Selbstfürsorge.
Unser gemeinsamer Backstage-Gruppen-Hug ist jedes Mal ein Highlight. Er stärkt das Vertrauen in das, was wir hier tun, und fokussiert uns darauf, unseren gemeinsamen Zweck zu teilen – unsere physische und emotionale Verbindung zueinander und zur Musik.
Linossiartstory:
Gab es Begegnungen mit Zuhörer*innen, die euch erzählt haben, wie sehr eure Musik ihnen geholfen hat?
Matt: Ja, viele. Manche schreiben, andere kommen nach dem Konzert. Besonders bewegt hat mich einmal eine einfache Beobachtung. Eine junge Frau war sichtbar schwer depressiv in der Christian-Doppler-Klinik. Sie lag zu Beginn unseres Sets zusammengerollt und schlief. Doch mit der Zeit wachte sie langsam auf – und beim letzten Song tippte sie mit dem Finger im Takt. Es war nur eine kleine Geste, aber sie hatte eine unglaubliche Kraft. Solche Momente sind größer als jede Bühne.
Linossiartstory:
Was wünschst du dir im gesellschaftlichen und musikalischen Umgang mit psychischer Gesundheit? Wo siehst du Veränderungspotenzial?
Matt: Mehr Mut zur Ehrlichkeit – auch bei Künstler*innen. Nicht jeder muss seine Seele auf der Bühne ausbreiten, aber weniger Versteckspiel würde helfen. Und: Mental Health darf nicht länger ein Nischenthema sein. In jeder Branche, in jedem Genre muss klar sein – das betrifft uns alle.
Linossiartstory:
Gibt es Tabus, die ihr mit eurer Musik bewusst brechen wollt?
Matt: Ja. Wir wollen zeigen: Auch wer stationär war, wer Diagnosepapiere trägt, kann kraftvoll leben, lieben, schaffen. Auch das Schweigen über Suizidalität brechen wir bewusst. Unsere Musik ist roh, ehrlich und manchmal unbequem – genau das braucht es.
Und wir feiern etwas, das lange als Schwäche galt: sich Hilfe zu holen. Hilfe zu suchen ist kein Scheitern – es ist ein mutiger, selbstbestimmter Schritt. Diese Haltung wollen wir mit jeder Note mittragen.
Linossiartstory:
Wenn eure Musik ein Licht wäre – wo sollte es deiner Meinung nach als Erstes hinscheinen?
Matt: In die Zimmer, wo Menschen gerade glauben, dass sie zu viel sind. Zu gebrochen. Zu laut. Zu traurig. Unser Licht ist für sie. Für alle, die kämpfen – oft leise.
Der größte Schmerz ist oft der Zweifel am eigenen Wert. Wenn unsere Musik da ein kleines Licht sein kann, dann schafft sie das vielleicht, indem sie spürbar macht, was schon immer in einem war. Auch wenn es gerade verschwommen erscheint. Manchmal braucht es nur einen Moment, einen Klang, der daran erinnert.
Linossiartstory:
Was bedeutet „Baseline“ für dich?
Matt: „Baseline“ ist für mich viel mehr als nur ein musikalischer Begriff. Es ist ein Prinzip, das mir hilft, mit Bipolarität zu leben. In den Höhen und Tiefen erinnere ich mich immer wieder daran, dass mein Ziel der Baseline-Zustand ist – ein inneres Gleichgewicht, wo ich klar denken, kreativ sein und authentisch handeln kann. Wenn ich zu hoch oder zu tief rutsche, mache ich einen konkreten Plan, um wieder zur Baseline zurückzukommen. Es ist wie mein innerer Kompass – und der Name erinnert mich daran, dass Musik und Stabilität Hand in Hand gehen können.
Linossiartstory:
Was ist ROCK for Mental Health?
Matt: ROCK for Mental Health ist eine neue Konzertreihe, bei der Musik und gelebte Erfahrung mit psychischen Herausforderungen zusammenkommen. Wir bringen echte Geschichten auf die Bühne – laut, ehrlich und mit bewegender Stimme. “Music that Inspires, Heals and Connects.”
Das Ziel ist, Hoffnung zu geben, das Schweigen zu brechen und eine Gemeinschaft zu schaffen – für alle, die selbst kämpfen oder jemanden kennen, der es tut. Mental Health steht im Mittelpunkt – offen, mutig und menschlich.
Linossiartstory:
Wann und wo werdet ihr auftreten?
Matt: Los geht’s am 24. Oktober 2025 mit dem Launch-Konzert im MARK Salzburg – gemeinsam mit moving voices und —Matt—Baseline—. Das ist der Auftakt zu einem jährlichen Konzert in Salzburg – einer wachsenden Bewegung, die zeigt, wie viel Kraft in Musik und Ehrlichkeit steckt.
Matt, ich danke dir von Herzen für dieses ehrliche und tiefgründige Gespräch. Ich wünsche dir weiterhin Mut und Leuchtkraft – und dass deine Musik viele Seelen berührt, Hoffnung schenkt und Menschen daran erinnert, dass sie nicht allein sind.
Was bedeutet „bipolare Störung“? Menschen mit bipolarer Störung erleben extreme Stimmungsschwankungen – von tiefer Depression bis zu übersteigerter Euphorie. Diese Phasen beeinflussen Denken, Fühlen und Verhalten und sind für Außenstehende oft schwer zu verstehen. Matt spricht offen darüber – und genau solche Einblicke helfen, mehr Verständnis zu schaffen.
Zwei Ausstellungen, zwei künstlerische Stimmen – und ein gemeinsamer Aufschrei gegen die Oberflächlichkeit unserer Zeit. Im Salzburger Kunstverein treffen digitale Ekstase und politischer Widerstand aufeinander. Esben Weile Kjær und Laila Shawa präsentieren Werke. Diese Werke wollen nicht nur gesehen werden, sondern auch gespürt werden. Ein Besuch, der nachhallt.
Farbenrausch und digitale Dekadenz – Esben Weile Kjær im Salzburger Kunstverein
Beim Betreten des Ausstellungsraumes trifft es einen mit voller Wucht. Ein Farbenrausch aus bunten Teppichfliesen lenkt den Blick auf den Boden. Sie ziehen nicht nur durch ihre Farbigkeit, sondern auch durch die darauf abgebildeten Motive an.
Der Raum wirkt wie ein Befreiungsschlag – offen, grell, fast provokativ. Die spärlich platzierten Skulpturen sprechen eine eigene, eindringliche Sprache. Zwei übergroße, von der Decke pendelnde Skulpturen erinnern an Totenköpfe in Schwarz und Blau. Leben und Tod? Warnung oder Inszenierung?
Weile Kjær schafft ein visuell überwältigendes Szenario, das sich mit Ästhetiken der Selbstoptimierung, Hyper-Sichtbarkeit und dem Spektakel des zeitgenössischen Lebens auseinandersetzt. Rokoko-Dekadenz kollidiert mit digitaler Reizüberflutung – eine unheimliche Landschaft entsteht, in der der Körper zur Ware und zum Avatar wird.
Der Künstler stellt sich der neoliberalen Gegenwart, in der das kommerzialisierte Selbst endlos optimiert, spektakulär inszeniert und konsumierbar gemacht wird.
Zur Person: Esben Weile Kjær (*1992, Kopenhagen) arbeitet mit Skulptur, Video und Performance. Seine Werke greifen die Geschichte der Popkultur und Popmusik auf, um Themen wie Nostalgie, Authentizität und generationenbedingte Ängste zu untersuchen. Er beleuchtet die heutige Ereignisökonomie mit einer aufmerksamen, unkonventionellen Bildsprache. Dabei verwendet er die Ästhetik der Unterhaltungsindustrie und ihre Marketingstrategien.
Kuratiert von Mirela Baciak
Islamo-Pop und Widerstand – Laila Shawa im Studio des Salzburger Kunstvereins
Im kleineren Studio begegnet man den Arbeiten von Laila Shawa – vielschichtige Kapseln, geografisch weitreichend und stilistisch hybrid. Ihre unverwechselbare Bildsprache, oft als „Islamo-Pop“ bezeichnet, vereint islamische Ornamentik. Sie kombiniert byzantinische Kalligrafie und westliche Pop-Art. Dies führt zu einer kritischen Reflexion globaler Machtverhältnisse.
Ihr bevorzugtes Medium, die Druckgrafik, war für sie nicht nur ästhetisches Ausdrucksmittel. Es war auch eine Kommunikationsstrategie. Wiederholung, Reproduktion und öffentliche Sichtbarkeit wurden zu Werkzeugen des sozialen Engagements.
In der Ausstellung sind Skulpturen weiblicher Körper zu sehen – mit Ledermieder und beidseitig befestigten Sprengkörpern. Das Mieder selbst erinnert ebenfalls an eine Bombe. Was will die Künstlerin damit sagen? Gewalt gegen Frauen? Oder müssen sich Frauen selbst „in die Luft sprengen“, um wahrgenommen zu werden?
Es ist ein Aufschrei – ein Aufruf gegen die Brutalität, mit der Frauen weltweit konfrontiert sind. Frauen, die Leben gebären. Frauen, die in vielen Gesellschaften noch immer in der letzten Reihe stehen.
Angesichts der eskalierenden Gewalt seit dem 7. Oktober 2023 erleben wir einen Zustand gesellschaftlicher und emotionaler Überforderung. Der öffentliche Diskurs ist polarisiert, schmerzhaft und von einem Mangel an Verständnis geprägt.
Die Ausstellung SCHOOL OF SEEING bietet eine retrospektive Auseinandersetzung mit dem Werk von Laila Shawa (1940–2022). Sie war eine Künstlerin, die aus palästinensischer Perspektive sprach. Jedoch ist sie vor der aktuellen Eskalation verstorben.
Zur Person: Laila Shawa (*1940, Gaza – †2022, London) erhielt ihre erste Ausbildung am Leonardo-da-Vinci-Kunstinstitut in Kairo (1957–1958), studierte bis 1964 an der Akademie der Bildenden Künste in Rom und verbrachte die Sommer an Oskar-Kokoschkas-SCHULE DES SEHENS in Salzburg. Nach ihrem Studium kehrte sie nach Gaza zurück, um für das UN-Hilfswerk Kunstunterricht in Flüchtlingslagern zu geben. Mit Ausbruch des libanesischen Bürgerkriegs siedelte sie nach London über, verbrachte jedoch weiterhin viel Zeit in Gaza. Bis zu ihrem Tod war sie in London künstlerisch aktiv.
Kuratiert von Jakub Gawkowski
Empfehlung
Ich empfehle Ihnen, diese Ausstellung zu besuchen. Sie regt zum Nachdenken an – über Kunst, Körper, Identität und die politische Gegenwart.
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