Hommage an Franz Krahberger und Bodo Hell

In den ruhigen Stunden der Nacht, wenn Gedanken schweifen und Erinnerungen erwachen, erblicke ich die Schatten zweier unvergessener Seelen. Ihre Worte waren mehr als bloße Laute, sie waren das Echo ihres bemerkenswerten Daseins. Ihre Geschichten sind unvergessen, die Einzigartigkeit lebt in ihren Büchern weiter.

Lassen Sie mich mit einer Hommage an meinen Bruder Franz Krahberger beginnen, dessen literarische Laufbahn mit der Verleihung des Innsbrucker Literaturpreises in den 1960er Jahren für sein Stück „The Production“ (1969) begann und im Forum Stadtpark Graz uraufgeführt wurde.

In der kreativen Aufbruchstimmung der späten 60er Jahre entstand eine Bühne, die alles andere als gewöhnlich war. Sie sprengte die Grenzen des konventionellen Theaters. „The Production“ ist mehr als ein Theaterstück, es ist eine Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. Es stellt den Alltag auf den Kopf und entführt das Publikum in eine bizarre Welt, in der Nachttöpfe in Serie produziert werden.

Dieses Theaterstück von Franz Krahberger war ein kontroverses Werk, das sowohl Aufmerksamkeit als auch Kritik erregte. Es wurde als ein Aktionsstück aufgeführt, das die Zuschauer mit ungewöhnlichen und provokanten Elementen konfrontierte.

Die Darstellung von Nachttöpfen in Fließbandarbeit war ein Symbol für die Industrialisierung und die entfremdenden Effekte der modernen Arbeitswelt. Das Stück wurde sowohl für seine innovativen Ansätze gelobt als auch für seine radikalen Methoden kritisiert. Es forderte die Zuschauer heraus, über die Rolle der Arbeit und die Mechanisierung des Lebens nachzudenken. Diese Art von Theater war in den 60er Jahren nicht unüblich, aber es war dennoch ein mutiges Experiment, das viele Diskussionen und Reflexionen auslöste.

Sein 1989 erschienenes Buch „Humbolts Reise“ ist ein Roman, in dem viel Persönliches einfließt. Ein kurzer Auszug aus dem Buch:  

„Es geht auch um Kunst, alles ist zur Kunst geworden, alles, und die Flucht aus der Kunst ist ebenso Kunst. Die wildwüchsige Natur ist zu einer lächerlichen Farce gegenüber dem menschlichen Ordnungsgeist geworden. Die wildwüchsige Natur ist tot, träumt Humbolt in großen Lettern. Übrig bleibt der Dschungel menschlicher Empfindung“.

Auch sein weiteres Buch „Das Babylon-Projekt“ ist ein Buch, in dem er schon in den 1990er Jahren die Vision der digitalen Zukunft voraussagte, wie sie heute präsent ist. Ich stelle mir immer wieder die Frage, wie mein Bruder – der 2016 verstarb, als der Beginn des digitalen Zeitalters weiter fortschritt – heute die Zukunft zwischen KI und Realität sehen würde.

Autor und Begründer des ejournals Foto:© aus privat Besitz Franz Krahberger

Kurze Biografie von Franz Krahberger: Geboren 1949 in Rottenmann, Steiermark, verstorben 2016 nach langer, schwerer Krankheit in Baden bei Wien. Ausbildung in Nachrichtentechnik und Elektronik an der TGM. Er war Schriftsteller, Theaterhörspiel- und Multimedia-Autor, Konzeptionist und Begründer des ejournals. Seit 1995 Entwicklung und Ausbau des Web-Journals „electronic Journal & Literatur primär“. 1998 Admontinisches Universum, ein barocker Hypertext, die Oberfläche der Universalbibliothek des Benediktinerstiftes Admont. Mit seinen zahlreichen Beiträgen im ejournal hat er sich selbst ein Denkmal gesetzt. Allfällige Nachrufe sind ohnehin im Netz aufzurufen.

http://www.ejournal.at/

http://www.ejournal.at/admont/

Bodo Hell, ein interessanter Schriftsteller, der seine eigene Sprache in seinen    Büchern fand. Er war nicht nur Prosaautor und Lyriker, sondern auch tief mit der Natur verbunden. Seit den 1970er Jahren war er im Dachsteingebiet jeden Sommer als Hirte mit Ziegen, Pferden und Kühen unterwegs.

Viele seiner Bücher entstanden während seiner Zeit auf der Alm. Er war ein Schamane des Sehens. Sein enormes Wissen bereicherte das Gesehene und wurde Teil eines spielerischen Schöpfungsaktes. Neben seinen literarischen Stationen nahm sich Bodo Hell einen Baum nach dem anderen vor. Er erzählte von realen, mythologischen und metaphorischen Bäumen. Nach dem Ahorn kam der Baum der Erkenntnis, und von da aus ging es weiter über Birke, Buche, Eibe, Eiche, Esche bis hin zu Weide und Zirbe, sein Buch „Begabte Bäume„.

Interessant ist auch sein Buch „Gang durchs Dorf: Fingerzeig“, in dem er Gebäude in einem Dorf fotografierte und mit einem Fingerzeig auf wichtige Gebäude hinwies. Zum Beispiel ein Wirtschaftsgebäude am östlichen Ortseingang oder die Pfarrkirche, die in keinem Dorf fehlen darf. Bei dieser Pfarrkirche war allerdings ein Straßenfahrzeug mit Mähwerk an einem hydraulischen Ausleger montiert, was das Bild der Pfarrkirche veränderte. Oder ein Winzerhaus an einer Durchgangsstraße. Dieser Band wurde von Franz Krahberger in der Provinzialbibliothek herausgegeben.

Bodo Hell und ich bei den Rauriser Literaturtagen 2023. Foto: ©  Christa Linossi 2023 (privat Besitz)

Bodo Hell wurde auch von der österreichischen sprachkritischen Literatur geprägt, insbesondere von Friederike Mayröcker, die ihm sehr nahestand. Es ging ihm nicht nur um das Erzählen von Geschichten, sondern um die Faszination, wie die Welt zur Sprache und diese zur Schrift wird – eine Faszination, die ihn bis zu seinem Verschwinden im Jahr 2024 nicht losließ. Seit dem 11. August 2024 wird der Schriftsteller in der Dachsteinregion vermisst, wo er sein halbes Leben verbracht hat, und jede Gefahr kannte. Es wird vermutet, dass er in eine Doline oder in ein Höhlensystem gestürzt ist, und es ist verdammt schwierig, ihn zu finden. Das Dachsteingebiet ist riesig. Sein Verleger meldete ihn als „verschollen“ und man gab die Suche wegen Aussichtslosigkeit auf. Trotz modernster Technik, Hubschraubereinsätzen und Suchtrupps am Boden blieb Bodo Hell verschollen.

Kurze Biografie Bodo Hell: 

Geboren 1943 in Salzburg, Studien in Salzburg und Wien. Er lebte als Dichter, Essayist und Künstler in Wien, im Sommer als Senner auf einer steirischen Alm am Dachstein. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Rauriser Literaturpreis (1972). Ende Märze dieses Jahres beschloss die steirische Landesregierung, Bodo Hell mit dem Literaturpreis des Landes Steiermark 2024 zu ehren. Im Oktober 2024 wurde der Preis im Kunsthaus Mürz in Mürzzuschlag verliehen, leider in Abwesenheit von Bodo Hell.

https://www.bodohell.at/

Franz Krahberger und Bodo Hell haben die Welt verlassen, doch ihre kreativen Geister leben weiter und werden durch die Seiten ihrer Bücher weiterleben, weiterhin zum Nachdenken anregen und die literarische Landschaft inspirieren.