SOMMERSZENE 2023

PERFORMING ARTS FESTIVAL          12.-24. Juni 2023 in Salzburg

Olivier Dubois_BODHI Project_Foto: © Bernhard Müller

Die Sommerszene Salzburg 2023 wurde am 12. Juni 2023 mit dem Tanzprojekt Olivier Dubois, der in COME OUT eröffnet.

Jedes Jahr werden nationale und internationale Künstler*innen nach Salzburg eingeladen, um dort ihre Kunst einem breiten Publikum zu präsentieren. Das Festival ist wieder mit 14 Produktionen vertreten und Salzburg wird wieder zu einer einzigen Bühne.

Aus den 14 Produktionen, die ich hier kurz beschreibe, wählte ich aus meiner Perspektive zwei Produktionen aus.

Den Auftakt gab, wie bereits erwähnt, Olivier Dubois, der in COME OUT ein physisches Get-together für 21 Tänzer*innen von SEAD.

Olivier Dubois_BODHI Project_Foto: © Bernhard Müller

Unvorbereitet sah ich mir dieses hypnotische Ballett für 21 Tänzer*innen an. Ich wusste nicht, worauf ich mich einließ. Die Sommerszene versprach ein choreografisches Meisterwerk zu werden.

Mein erster Gedanke bei diesem Ballett war zunächst die faszinierende Körperbeherrschung. Die Musik, ich glaube, es handelte sich um Elektro-Soundeffekte, die nach einer ½ Stunde den Nerv trafen, wummernd und immer im gleichen Rhythmus, dazu die immer gleichen Bewegungen der Balletttänzer*innen, die sich auch erst nach einer ¾ Stunde in andere Figuren bewegten. Man konnte seine Fantasie mit dieser Musik und den Tanzbewegungen spielen lassen. Man konnte alles Mögliche hineininterpretieren: Außerirdische, Roboter, Pflanzen oder Korallen, die sich immer im gleichen Rhythmus bewegten. Das ging eine ½ Stunde so, man wusste nicht, was ist die Botschaft? Dann kam eine unregelmäßige Dynamik ins Spiel, die Körper bewegten sich unterschiedlich in alle Richtungen. Es bildete sich auch eine Art Klumpen, der wie eine Kugel aussah. Dann bewegten sich die Körper wieder in die Ausgangsposition zurück, dazwischen ertönte Sprache und die Musik wurde extrem laut und der Rhythmus, wenn man das so sagen kann, nahm seinen Ausgangspunkt.

Nach der Aufführung musste ich erst im Programmheft nachlesen, worum es in diesem Tanzstück eigentlich ging: Ein zentrales Element des Stücks, das der Musiker Reich in den sechziger Jahren komponiert hatte, waren collagierte Sprachaufnahmen von jungen Afroamerikanern, die in einen Mord in Harlem verwickelt waren, der damals einen gesellschaftlichen Aufschrei auslöste.

In Erinnerung blieb aber eigentlich nur die Körperbeherrschung der Darsteller*innen, die dies in 50 Minuten durchzogen. Tanz zu verstehen ist oft schwierig, man muss sich wirklich mit der Materie auseinandersetzen, um die einzelnen Figuren zu verstehen. Nicht einfach!

Seit mehr als einem Jahrzehnt setzt Olivier Dubois starke Impulse in der zeitgenössischen Tanzszene. Mit einem Schwerpunkt auf theatralischen Elementen und einer starken Bühnenpräsenz des Ensembles ist sein Repertoire stilistisch breit gefächert.

Miet Warlop GHOST WRITER Foto: © Reinout Hiel (1)

MIET WARLOP „GHOST WRITER AND THE BROKEN HAND BREAK”

Eine Inszenierung von Miet Warlop, die ich unbedingt sehen wollte, wählte ich aus dem Bühnenprogramm aus.  Es war eine Verschmelzung von Musik, Stimmen, Licht und Derwischtanz in GHOST WRITER and the BROKEN HAND BREAK. Es war eine hypnotische Show.

Leichter zu verstehen war für mich diese Tanzperformance. Es war eine Nachahmung der Tanzenden Derwische. Tanzende Derwische werden sie genannt, weil einer ihrer charakteristischen Riten, die Sema, aus kreisenden Bewegungen besteht, die einer bestimmten Symbolik folgen.

Miet Warlop GHOST WRITER Foto: ©-Boris-Bruegel-1

Miet Warlop ist international bekannt für ihr Stück GHOST WRITER and the BROKEN HAND BREAK. Mit diesem Stück entführte sie das Publikum in eine hypnotisierende Welt: eine westliche Version der Sufi-Derwische.

Drei Darsteller*innen drehten sich 45 Minuten lang unablässig im Kreis – eine Bewegung, die bei Sufi-Zeremonien einen Zustand religiöser Ekstase auslöst. Die titelgebende Handbremse, die nicht mehr funktioniert, kann ein klassisches Albtraummotiv sein: nicht anhalten können, auf eine Katastrophe zusteuern. Sie kann aber auch ein Synonym dafür sein, sich frei zu fühlen und sich ohne Hemmungen vorwärtszubewegen.

Miet Warlop GHOST WRITER Foto:_Reinout_Hiel

Ghost Writer and the Broken Hand Break ist ein schwindelerregendes Wahrnehmungsexperiment, ein Hybrid aus wirbelndem Tanz, Musik und Licht, das sich auf dem schmalen Grat zwischen Kontrolle und Kontrollverlust bewegt.

Miet Warlop hat multimediale Kunst an der Koninklijke Academie voor schone Kunsten in Gent studiert und arbeitet in Gent, Berlin und Brüssel. Ihr Ziel ist oft die Entführung des Publikums in surreale Welten und Experimente mit der Wahrnehmung.

Ich freue mich schon auf ein weiteres Spektakel der Sommerszene und das wird die Abschlussparade Salzburg am 24. Juni 2023 in der Salzburger Altstadt sein.

Marinella Senatore_Venedig Foto: © Andrea Samonà

Inszeniert von der italienischen Künstlerin Marinella Senatore mit dem Projekt THE SCHOOL OF NARRATIVE DANCE. Eine Stadt in Bewegung: In dem Gemeinschaftsprojekt THE SCHOOL OF NARRATIVE DANCE lädt die vielbeachtete italienische Künstlerin Marinella Senatore Tänzerinnen und Tänzer, Musikerinnen und Musiker, Chöre, Bands, Blaskapellen, Vereine und Einzelpersonen von jung bis alt ein, an einer Stadtchoreografie mitzuwirken.

Senatore geht es nicht nur darum, soziale Prozesse anzustoßen, sondern auch darum, Begriffe wie Öffentlichkeit und soziale Verantwortung in Frage zu stellen, alternative Erzählformen zu finden und letztlich durch gemeinsames Handeln ein kollektives Gedächtnis zu generieren.

Eine zentrale Figur der zeitgenössischen italienischen Kunst ist Marinella Senatore. Sie studierte an der Akademie der Schönen Künste in Neapel, am Konservatorium für Musik und an der Nationalen Filmschule in Rom.

Kurzer Rückblick zur SZENE Salzburg:

Seit mehr als 50 Jahren ist die SZENE Salzburg einer der wichtigsten Kulturveranstalter der Stadt. Das multifunktionale Haus am Anton-Neumayr-Platz bietet an mehr als 100 Tagen ein Programm, das zeitgenössischen Tanz, Sprechtheater, Performances, Kabarett, Konzerte, Lesungen usw. sowohl von internationalen als auch von lokalem Künstler*innen präsentiert. Seit einigen Jahren beschäftigt sich die SZENE auch intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit in Kulturbetrieben.

https://www.szene-salzburg.net/programm

Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes!

Salzburger Festspiele 2023

am 15.06.2023 – während der Pressekonferenz auf der Presseterrasse, Festspielhaus, Salzburg, Österreich Foto: JAN FRIESE –

Am 15. Juni 2023 präsentierte Bettina Hering, Schauspieldirektorin der Salzburger Festspiele, der Presse beim ersten Presseterrassengespräch das Ensemble sowie MICHAEL MAERTENS als JEDERMANN und VALERIE PACHNER als BUHLSCHAFT.

am 15.06.2023 – während der Pressekonferenz auf der Presseterrasse, Festspielhaus, Salzburg, Österreich Foto: JAN FRIESE –

Michael Maertens ist der neue JEDERMANN: Er hat bereits 30 Jahre Festspielerfahrung mit insgesamt 123 Auftritten und großen Respekt vor der Rolle. Maertens über seine Rolle als JEDERMANN: „Ich will die Rolle auf meine Art spielen. Ich will nichts von meinen Vorgängern kopieren. Ich möchte, dass die Leute sich zumindest ein paar Gedanken machen über Fragen wie: ‚Warum bin ich hier? Warum muss ich wieder gehen? Das ist ein Thema, das auch mich seit meiner Kindheit beschäftigt“.

Die Buhlschaft übernimmt der Filmstar Valerie Pachner. Bereits 2016 hatte Valerie Pachner ihr erstes internationales Filmengagement. Mit Hollywood-Regielegende Terrence Malick drehte sie A HIDDEN LIFE (Ein verborgenes Leben) sie spielte die weibliche Hauptrolle der Franziska Jägerstätter an der Seite von August Diehl als NS-Widerstandsheld Franz Jägerstätter. 2019 feierte der Film seine Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes. Er erhielt hervorragende Kritiken. Im Sommer 2023 wird die preisgekrönte Schauspielerin Valerie Pachner nach Österreich und auf die Theaterbühne zurückkehren, um ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen zu geben: in der außergewöhnlichen Doppelrolle als Buhlschaft und als Tod in JEDERMANN.

am 15.06.2023 – während der Pressekonferenz auf der Presseterrasse, Festspielhaus, Salzburg, Österreich Foto: JAN FRIESE –

Regisseur Michael Sturminger will und wird den JEDERMANN völlig neu inszenieren. Er will ihn ins 21.Jahrhundert führen! Alles wird anders, die Bühne, die Kostüme, die Gedanken usw. und man darf gespannt sein, wie viel Hofmannsthal noch bleiben wird?

Michael Sturminger
© Salzburger Festspiele / Anne Zeuner

Michael Sturminger: „Es ist ein riesiges Vergnügen und eine unglaubliche Situation, dasselbe Stück dreimal neu inszenieren zu dürfen.“ Dabei sei auch seine eigene Sichtweise in Bewegung gekommen und habe sich verändert: „Das Stück ermöglicht ganz verschiedene Zugänge. Was Max Reinhardt unter den Begriffen Glaube oder Geliebte verstanden hat, hat sich in 100 Jahren verändert. Das Stück lässt sehr viele unterschiedliche Perspektiven zu, das macht es in seiner Abstraktion so faszinierend.“

Für mich stellt sich auch die Frage, dass wir in diesem Jahr das Max Reinhardt Gedenkjahr haben, 150. Geburtstag und 80. Todestag des Regisseurs und Mitbegründers der Festspiele. Wäre es da nicht eine Überlegung wert gewesen, einen Teil der Uraufführung aus dem Jahr 1920 in die Neuinszenierung mit einzubeziehen?  Damit würde dem Regisseur Max Reinhardt (sowie der FAUST) eine weitere Hommage im Rahmen der Salzburger Festspiele zuteil.

Ein kurzer Rückblick:

Geburtsstunde der Salzburger Festspiele

Am 22. August 1920 war es so weit. Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ in der Inszenierung von Max Reinhardt wurde vor dem Dom aufgeführt, wo die Festspiele noch heute stattfinden. Der österreichische Schauspieler Alexander Moissi zählte – auch über den deutschsprachigen Raum hinaus – zu den bekanntesten Schauspielern seiner Zeit. Das machte ihn 1920 zum idealen ersten Jedermann im „Geburtsjahr“ der Salzburger Festspiele.