PASSIONSKONZERT am 22.03.2024 in der Wallfahrtskirche Großgmain
Am Karfreitag 1813 wurde sie in der Innsbrucker Servitenkirche nach über 200 Jahren wahrscheinlich zum letzten Mal als Grabmusik aufgeführt.
Wir hören hier zum ersten Mal ein Werk, das die Melodien der berühmtesten Arien aus der Oper „Don Giovanni“ enthält. Es wird W. A. Mozart zugeschrieben und schlummerte zweihundert Jahre lang in einem Klosterarchiv. Es wird vermutet, dass Pater Philipp Benitius Mayr, ein Ordensbruder der Serviten, der Autor des Textes war.
Ich bat Hans-Josef Knaust – Leiter des Passonskonzert – zum Gespräch!

Linossiartstory: Herr Knaust, Sie werden am 22. März 2024 in der Wallfahrtskirche Großgmain (Salzburg) das Passionskonzert „Die Welt beym Kreutze Jesu“ zur Aufführung bringen.
Hans-Josef Knaust: Nach mehreren Anläufen, die wegen der Pandemie scheiterten, habe ich nun die Möglichkeit, das Werk an meinem Lieblingsort für Passionsmusik, der Wallfahrtskirche Großgmain, aufzuführen.
Linossiartstory: Ist dokumentiert, dass dieses Grablied „WELT AM KREUTZE JESU“ tatsächlich in der Innsbrucker Servitenkirche uraufgeführt wurde?
Hans-Josef Knaust: Sie lässt sich insofern nachweisen, als für die Aufführung am Karfreitag des Jahres 1813 eigens ein Textheft mit dieser Jahreszahl herausgegeben wurde, was mit dem Osterbesuch des bayerischen Kronprinzen zusammenhängt, dem man sicherlich eine würdige Karfreitagsmusik bieten wollte. Die Originalstimmen des Werkes befinden sich im Archiv des Servitenklosters.
Linossitartstory: Was hat Sie an diesem Passionskonzert so fasziniert? Liegt die Faszination darin, dass es seit über 200 Jahren in der Innsbrucker Servitenkirche schlummert?
Hans-Josef Knaust: Die Faszination liegt darin, wie die uns vertraute Musik Mozarts aus Don Giovanni mit dem 1813 verfassten Passionstext für uns Interpreten – vor allem aber für die Zuhörer – eine völlig neue Ausdrucksdimension erreichen kann.
Linossiartstory: Warum wurde ausgerechnet der dramatische Inhalt von Mozarts Oper „Don Giovanni“ in diesem Oratorium auf die spirituelle Ebene des Passionsdramas gehoben? Wäre nicht auch eine andere Operndramaturgie möglich gewesen? Ist die Entscheidung des Serviten P. Philipp Benitius Mayr für „Don Giovanni“ nach 200 Jahren noch nachvollziehbar?
Hans-Josef Knaust: Die Oper „Don Giovanni“ wurde um 1800 sicherlich als moralisierendes Drama wahrgenommen (Neuinterpretationen des Stoffes wie die von A. Camus u.a. waren sicher noch nicht im geistigen Umlauf). ); insofern bot sich dem Verfasser mit Hilfe der faszinierenden Musik Mozarts die Gelegenheit, aus dem fragwürdigen Handeln Don Giovannis (er vergewaltigt seine Tochter Donna Anna und tötet ihren Vater Komtur) ein dramaturgisches Exempel zu statuieren: Der sündige Mensch, der angesichts des Karfreitagskreuzes die Erlösungstat Jesu leugnet, ist wie Don Giovanni zur Höllenfahrt verdammt.
Allerdings schließen sich alle Protagonisten des Passionsdramas nach anfänglichem Zweifel (Geist des Judentums) der kirchlichen Lehre an.
Linossiartstory: Der Servite P. Philipp Benitius Mayr schuf fünf allegorische Figuren:
DIE KIRCHE
DER ENGEL
DER GEIST DER HEIDEN
DER GEIST DES PROPHETEN
DER GEIST DES JUDENTUMS
Was hat den Textdichter und den musikalischen Bearbeiter bewogen, die Dramatik der Mozartischen Vorlage – den letzten Kampf um Gerechtigkeit zwischen Don Giovanni und dem Komtur sowie den anderen Opferfiguren – auf diese von ihm geschaffenen allegorischen Figuren zu übertragen?
Hans-Josef Knaust: Die aufgebotenen allegorischen Figuren finden sich in den bildlichen Darstellungen zeitgenössischer Heiliger Gräber wieder (vgl. Abbildung des Hl. Grabes in der Innsbrucker Jesuitenkirche); so werden allgemein bekannte Bildnisse und Figurinen durch leibhaftige Sängergestalten zum Leben erweckt – was auf die zeitgenössischen Zuhörer einen überwältigenden Eindruck gemacht haben muss – nun wird das an Dramatik kaum zu überbietende Werk Mozarts herangezogen, das in seiner Übertragung auch Leid durch Kreuz und Tod und die damit einhergehende Trauer auszudrücken vermag (vgl. Donna Annas Klage über den Tod des Vaters etc.).
Linossiartstory: Herr Knaust, was genau ist der Servitenorden und seit wann gibt es ihn, können Sie das kurz erklären?
Hans-Josef Knaust: Der Servitenorden wurde Anfang des 13. Jahrhunderts in Florenz als Ordo Servorum Mariae – OSM gegründet und widmete sich der Unterstützung der Armen; die für uns wichtige Klostergründung in Innsbruck wurde um 1613 von die Mantuaner Familie der Gonzaga betrieben – von Innsbruck wurden weitere Klöster u.a in Wien und in Deutschland gegründet; bis heute ist das Servitenkloster in Innsbruck für den gesamten Orden von zentraler Bedeutung.
Darüber hinaus legten die Serviten in Innsbruck größten Wert auf eine hervorragende Kirchenmusik zu den Hochfesten (dies bezeugt das große Quellenrepertoire des Klosters); damit nicht genug setzten sich begabte Musiker des Ordens für die musikalische Erziehung und Förderung der Jugend in Stadt und Land ein.
Linossiartstory: Lassen Sie uns noch einmal auf das Konzert mit der Passion zurückkommen. Was ist das Besondere an der Aufführung dieses Passionsoratoriums?
Hans-Josef Knaust: Wie oben schon angedeutet, fasziniert uns heutige Hörer das Spannungsverhältnis zwischen Mozarts genialer Musik und dem in barockem Gestus gehaltenen Passionsdrama. Kann Mozarts Musik durch den Passionstext zu neuen Ausdrucksdimensionen vordringen? Befruchten sich Text und Musik gegenseitig oder stehen sie in ihrer Wirkung im Gegensatz zueinander? Diese Fragen wird sich der Zuhörer nach dem Passionskonzert selbst beantworten müssen – im Probenprozess konnten wir jedenfalls für uns alle erstaunliche Wirkungen wahrnehmen (und das mit Sängern, die den „Don Giovanni“ im Original schon mehrfach auf der Bühne gesungen haben…).
Linossiartstory: Was war für Sie ausschlaggebend, dieses Oratorium gerade in Großgmain (Salzburg) aufzuführen? Hätte es nicht auch in der Kollegienkirche oder in einer anderen Kirche, z.B. Maria Plain, stattfinden können?

Hans-Josef Knaust: Die Wallfahrtskirche Großgmain ist aufgrund ihrer barocken Theaterarchitekur wie geschaffen für Oratorium und dramatisiertes Passionsingen – wir haben das Parkett (den üblichen Platz der Gemeinde), den ersten und zweiten Rang mit der Orgel – der Altarraum erhebt sich mittels Stufen über das Kirchenraumniveau; den würdigen Abschluss bildet der erhöhte Hochaltar; nicht ohne Grund nahmen von Großgmain die inzwischen allgegenwärtigen Passionssingen ihren Anfang in den 1970er Jahren durch Persönlichkeiten wie Cesar Bresgen und Harald Dengg; diese erkannten sowohl die geniale Architektur wie auch die damit einhergehende großartige Akustik.
Linossiartstory: Wie werden Sie dieses Passionskonzert dirigieren und inszenieren? Welche Stimmen kommen zum Einsatz? Wie groß ist das Orchester und wird es auch einen Chor geben?
Hans-Josef Knaust: Insgesamt plane ich eine konzertante Aufführung mit kleinen dramaturgischen Gesten – in den Ensembles (Duette, Terzette etc.) werden die Stimmen in ihren Dialogen aufeinander eingehen – auch die Einsätze sowie die Auf- und Abgänge sind von mir konzipiert.
Die Soli sind durch das Werk vorgegeben: der Sopran übernimmt die Rolle der „Kirche“, der Alt das „Heidentum“, der Tenor den „Engel“, die Bässe I und II den „Geist der Propheten“ und den „Geist des Judentums“.
Als wirkungsvoller Abschluss tritt der Chor zu den Solisten hinzu mit der apokalyptischen Aussage: „Alles wanket fliehet, bis es uns zu Jesu ziehet“.
Linossiartstory: Stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, dass Mozart nicht nur mit Werken wie der „Die Zauberflöte“, „Eine kleine Nachtmusik“ oder dem „“Requiem“ Weltruhm erlangte, sondern auch in der Kirchenmusik seine Spuren hinterlassen hat?
Hans-Josef Knaust:
Natürlich – die Kirchenmusik war für Mozart gleichbedeutend in Qualität und Wert (manche Mozartforscher wie Alfred Einstein schätzen die Kirchenmusik in Bedeutung und Qualität sogar höher ein – siehe Requiem c-Moll Messe etc.)
Linossiartstory: Sehr geehrter Herr Hans-Josef Knaust, vielen Dank für das sehr interessante Gespräch. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele interessante musikalische Projekte.
Hans-Josef Knaust – Start (knaust-salzburg.org)
Innovative Musikprojekte Salzburg – IMP Salzburg – Zeitgenössische Musik (imp-salzburg-concerts.at)
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