„IN SEARCH OF HUMANITY„

Illumination, 2019
LEGO-Bausteine
Courtesy of the artist
Foto: Courtesy of the artist and Lisson Gallery © 2022 Ai Weiwei
Die ALBERTINA MODERN zeigt eine umfangreiche Retrospektive eines der bedeutendsten Künstler des 20./21. Jahrhundert, es handelt sich um Ai Weiwei und gibt Einblick in alle Schaffensphasen seiner mehr als vier Jahrzehnte währenden Laufbahn.
Ai Weiwei ist einer der bedeutendsten Künstler unserer Zeit, er ist ein unermüdlicher Aktivist und Kritiker autoritärer Systeme. Seine Kunstwerke sind mächtige Symbole, die ein breites Publikum ansprechen und immer wieder für Kontroversen Sorgen.
Die Ausstellung In Search of Humanity befasst sich eingehend mit dem Aspekt der Menschlichkeit und der künstlerischen Stellungnahme in Ai Weiweis Schaffen. AI Weiwei wurde 1957 in Peking geboren. (Von 1958–1976) Ai Weiweis Kindheit und Jugend verbrachte er in der Verbannung seines Vater Ai Qing, einer der berühmtesten Dichter Chinas, dieser galt als Regimekritiker und wurde als „Rechtsabweichler“ mit seiner Familie verbannt. Während Mao Zedongs „Kulturrevolution“ – der vor keiner Zerstörung und Unterdrückung zurückschreckenden, groß angelegten Umerziehung des chinesischen Volkes – lebten sie in einem Lager in der Provinz Xinjiang unter ärmlichsten Bedingungen in einem Erdloch. Ai Qing wurde für Reinigung der Latrinen zugeteilt, täglich ist er öffentlichen Demütigungen ausgesetzt. Nach dem Tod von Mao durfte Ai Qing (rehabilitiert) mit seiner Familie wieder zurück nach Peking kehren. Diese Auswirkungen die Ai Weiwei als Kind während der Kulturrevolution miterlebte, prägten auch seine frühesten Werke mit der Auseinandersetzung seines Heimatland China.
1978-1979 Ai Weiwei schreibt sich als junger Künstler an der Pekinger Filmakademie ein. Sein Jahrgang ist der erste, der seit der „Kulturrevolution“ zugelassen wird. Er verkehrte in den Kulturkreisen der Hauptstadt Peking. Er ist ein hervorragender Kenner der Geschichte und der kulturellen Traditionen seines Landes.
1981–1993 Künstlerische Prägung in den USA, 1993–1997 Rückkehr nach China: Umgang mit chinesischem Kulturgut 2000-2008 Tätigkeit als Architekt, 2005 Blog für Meinungsfreiheit, gegen Korruption und Zerstörung der chinesischen Kultur, Ab 2007 Erste internationale Erfolge, 2009-2011 Staatliche Repressalien und Festnahme 2009 wird Ai zum ersten Mal festgenommen, was ihn daran nicht hindert als Zeuge zugunsten des Aktivisten Tan Zuoren auszusagen. Nach der Verleihung des Friedensnobelpreises 2010 an den chinesischen Systemkritiker Liu Xiaobo greift die Kommunistische Partei Chinas hart gegen mehr als 200 Dissidenten durch: Anwälte, Aktivisten und Schriftsteller werden verhaftet und zum Schweigen gebracht. Auch Ais Studio wird wegen angeblich „nicht sachgemäßer Nutzung“ von den Behörden abgerissen. Die Geheimpolizei hält Ai ohne Anklage und ohne Verurteilung für unbestimmte Zeit an einem unbekannten Ort fest. 2011-2015 Dissident in China. Nach 81 Tagen und internationalen Protesten kommt Ai gegen Kaution frei, steht aber weiterhin unter strengster Überwachung. Es wird ihm untersagt zu reisen. Ai äußert weiterhin Kritik am Regime und macht mithilfe seiner Kunst selbst die Umstände seiner Gefangenschaft publik. Erst 2015 erhält Ai seinen Reisepass von den chinesischen Behörden zurück. Er zieht nach Berlin. Ab 2015 Internationaler Menschenrechtsaktivist und durch die Verlagerung seines Lebensmittelpunkts nach Europa positioniert Ai sich in seiner Rolle als Künstler und Aktivist noch stärker als Verfechter von Menschenrechten und demokratischen Grundwerten und bezieht immer wieder bei aktuellen Ereignissen Stellung.
Seine Arbeiten, die in der ALBERTINA MODERN gezeigt werden, geben Aufschluss zu seinen unvergleichbaren Gestaltungsprinzipien.

Neolithic Vase with Coca-Cola Logo, 1994
Tongefäß, , Industriefarbe
Privatsammlung
Foto: Albertina, Wien / Lisa Rastl & Reiner Riedler © 2022 Ai Weiwei
1994 schuf Ai Weiwei eines seiner bekanntesten Werke: Auf eine weisse Urne aus der Zeit der Han-Dynastie, ein rund 2000 Jahre altes Objekt malte er ein rotes Coca-Cola-Logo und verband der Gestalt symbolisch China und Amerika, Gestern und Heute, lokalen Basisnutzen und transnationales Marketing. Eine Urne aus der Han-Dynastie fallen lassen, wer bestimmt, was kostbar ist? Ist ein Gegenstand nur deshalb wertvoll, weil er eine bestimmte Zeit überdauert hat? Selbst wenn er zur Zeit seiner Herstellung ein Massenartikel war? Denn genau das trifft auf diese Urne aus der Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) zu, die Ai Weiwei 1995 zerschmettert.
In den drei Schwarzweiß-Fotos ist diese subversive Aktion festgehalten.

Dropping a Han Dynasty Urn, 1995
Schwarz-weiß Fotografien (Triptychon)
Privatsammlung
Foto: Courtesy Ai Weiwei Studio © 2022 Ai Weiwei
Das Fahrrad hat in China eine eigene Bedeutung, denn das Land galt lange als Fahrradnation. Ai selbst hat als Kind erlebt, wie wichtig es war, ein eigenes Fahrrad als Fortbewegungsmittel zu besitzen. Noch in den späten 1980er-Jahren gibt es in China kaum motorisierte Privatfahrzeuge, die Fahrräder dominieren den Stadtverkehr. Ai montiert die Fahrräder so aneinander, dass sie nicht mehr funktionstüchtig sind, ohne Lenker, Pedale und Ketten, teils ohne Sattel. Er spielt damit auf die chinesische Bevölkerung an, auf deren Synchronisierung und Uniformierung, deren Zusammenspiel als Kollektiv, das jedoch dem Einzelnen kaum Bewegungsfreiheit ermöglicht.

Forever Bicycles, 2003
42 Fahrräder
Privatsammlung
Foto: ALBERTINA, Wien / Lisa Rastl & Reiner Riedler © 2022 Ai Weiwei
Erste Verhaftung Im August 2009 reist Ai nach Chengdu, um bei einer Gerichtsverhandlung zugunsten von Tan Zuoren auszusagen. Der Aktivist hat zu den Baumängeln an Schulen recherchiert, die während des massiven Erdbebens in Sichuan 2008 eingestürzt sind, woraufhin ihm „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ vorgeworfen wird und er verhaftet wird, gelingt es ihm, mit seinem Handy das Spiegelbild der Szene zu fotografieren und zu posten. Dieses Selfie, wird über die sozialen Medien verbreitet, hinter ihm zu sehen die beiden Polizisten sowie sein Freund, der Musiker und Künstler Zuoxiao Zuzshou, der ihn nach Chengdu begleitet hat. Das Foto, das Ai später in Form dieser Lego-Arbeit umsetzt (somit verliert Lego, das berühmteste Spielzeug der Welt seine kindliche Unschuld) und verdeutlicht die zunehmende Bedeutung, wie Smartphones und soziale Medien für den Aktivismus spielen. Es markiert den für Ai buchstäblich erhellenden Moment, in dem der Künstler zum verfolgten Regimekritiker wird.

Illumination, 2019
LEGO-Bausteine
Courtesy of the artist
Foto: Courtesy of the artist and Lisson Gallery © 2022 Ai Weiwei
Möbelskulpturen Mit dem kulturellen Erbe und dem Umgang mit Kulturgütern befasst sich Ai Weiwei auch in seinen Arbeiten aus Holz. Für die Möbelskulpturen 40 Holzstühle, lässt er diese von versierten Tischlern nach seinen Vorstellungen umbauen. Dabei legt er Wert darauf, unsichtbare Steckverbindungen die einzelnen Teile zusammenhalten und die Arbeitsweise dem Material folgt. Nichts Neues wird hinzugefügt, nichts Altes, das entfernt wurde, geht endgültig verloren. Durch die Neuanordnung verlieren die Möbel ihre Funktionalität. Sie werden auf eine schockierende Weise zwecklos, indem sie vom realen Gebrauch ausgeschlossen werden. Als Kunstwerke erfüllen sie jedoch nun einen neuen Zweck.

Grapes, 2011
40 Holzstühle
Privatsammlung
Foto: Albertina, Wien / Lisa Rastl & Reiner Riedler © 2022 Ai Weiwei
Gefangennahme Am 3. April 2011 wird Ai Weiwei am internationalen Flughafen in Peking von der chinesischen Geheimpolizei verhaftet und eingesperrt. Die ganze Welt und die ganze Kunstwelt fragte sich seinerzeit „Wo ist Ai Weiwei“? Wo ist er?
81 Tage lang weiß er nicht, wo er sich befindet, weshalb er festgehalten wird, wie lange seine Inhaftierung andauern und ob er seine Familie je wiedersehen wird. Mehrmals täglich wird er mit Handschellen an einen Stuhl gefesselt und verhört. Zwei uniformierte Wachmänner stehen ununterbrochen in einem Abstand von 80 Zentimetern neben ihm und überwachen ihn rund um die Uhr, ohne zu sprechen und ohne jede Gesichtsregung.
Während der 81 Tage prägen sich Ai die Gegebenheiten der Zelle bis ins kleinste Detail ein. Er baut den Raum später nahezu in Originalgröße als begehbare Installation nach.

S.A.C.R.E.D. (i) S upper, 2013
1 von 6 Dioramen aus Fiberglas und Eisen
Courtesy of the artist and Lisson Gallery
Foto: Courtesy Ai Weiwei Studio and Lisson Gallery © 2022 Ai Weiwei
Ai Weiwei lebt und arbeitet derzeit an mehreren Orten, darunter Peking, Berlin, Cambridge (England) und Montemor-o-Novo bei Lissabon.
Noch nie war Konzeptkunst so anschaulicher, sinnlicher und engagierter, wie diese Ausstellung von Ai Weiwei!
Die Ausstellung läuft bis 04. September 2022
https://www.albertina.at/albertina-modern/ausstellungen/ai-weiwei/
Integration eines Steines aus China am Hohen Dachstein (Ramsau/Steiermark)
Inszeniert von Ai Weiwei https://www.kultura-extra.de/kunst/feull/regionale10_ai_weiwei.php
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.