steirischer herbst 2021
vom 09.09.2021 bis 10.10.2021
Das Dienstälteste Festival für interdisziplinäre und zeitgenössische Kunst in Europa hat seit 08.09.2021 wieder seine Pforten zwischen September und Oktober geöffnet. Graz ist in diesem Zeitraum wieder Festivalmetropole.

Der „steirische herbst“ der 1968 von Hanns Koren gegründet wurde, blickt auf eine lange Geschichte zurück und produktive Störungen waren immer wieder die Grundlage für öffentliche Debatten unterschiedlicher Art und quer durch alle Disziplinen und Medien, was Kultur für das Zeitgenössische bedeuten könnte, wurde neu definiert.

Das Motto 2021 lautet: „The Way Out” und wagt sich heuer radikal nach draußen, heraus aus dem Lockdown, aber auch heraus aus den Museen, Galerien und den institutionellen sicheren Räumlichkeiten. Des Weiteren beschäftigt sich das Festival mit der Frage, inwieweit können Kunstwerke in das Alltägliche eindringen. Sind es zufällige Begegnungen oder ist es die Wiederentdeckung der Außenwelt?

Ich besuchte den „steirischen herbst“ und stellte fest, er ist heuer anders als sonst oder empfand ich es nur, weil ich etwas chaotischer unterwegs war? Ehrlich gesagt, man muss sich auf alle Fälle Zeit nehmen und kann nicht, wie üblich, durch die Innenräume der Museen und Galerien „fetzen“, um sich dadurch einen Eindruck zu verschaffen. Ich kam vom „Durchrasen“ herunter und begann bestimmte Ziele zu wählen und nicht wie üblich, alles unter einem „Hut“ zu bringen. Man musste schon zweimal hinsehen.
Heuer ist eben alles anders, auch die Zusammenarbeit mit den Museen und Galerien. Heuer finden auch keine Kooperationen zwischen Kunsthaus Graz oder anderen Institutionen statt. Es gibt hier nur Parallelprogramme zu sehen, klar, der Titel sagt es ja „The Way out“.
Beginnen wir mit dem Hauptbahnhof, dort werden die Menschen schon mit einem kunstvoll gestalteten Tor empfangen. Es deutet auf diese Welt in der Kunst und Leben ineinander übergehen und sie das eine von dem anderen nicht immer unterscheiden können. Das Kunstwerk Assembly schuf Marinella Senatore, eine multidisziplinäre Künstlerin, die sich durch eine starke partizipatorische Dimension und einen ständigen Dialog zwischen Geschichte, Popkultur und sozialen Strukturen auszeichnet. Ihre Installation besteht aus bunten Lichtern und gleicht am Abend einem beeindruckenden visuellen Feuerwerk und beleuchtet somit am Abend den Bahnhofsvorplatz.


In den Parks und Straßen von Graz sind Performance und Künstler: Innenplakete ein gewisser Schwerpunkt.


Ich hatte mir die Performance der radikalen New Yorker Performance-Gruppe „Reverend Billy and the Church of Stop Shopping” angesehen. Diese Gruppe interpretierte und warnte mit schrägen Predigten und Chören vor dem drohenden Ende der Menschheit durch den Shoppingwahn. Eine gut inszenierte und ausdrucksstarke Performance, die zuerst im Innenhof des Palais Attems stattfand und sich dann die Gruppe mit den Besuchern in die Sackstraße und von dort zum Joanneums-Viertel bewegte. Mit lauter Sprache und Megafone heizte die Gruppe die Menschen in der Innenstadt noch an, die oft nicht sagen konnten was mit ihnen im Moment geschah.


Es sind noch weitere interessante Kunst-Installationen zu sehen, wie zum Beispiel im Besucher: innen- und Pressezentrum von Peter Schloss mit „Grupa Ee“. Um was handelt es sich hier? Hier hat der Künstler in seinen formal-minimalistischen Arbeiten einen Versuch zu einer präzisen Vermessung der Welt gestartet. Es sind Erkenntnisse und wie die uns täuschen können. Seine Kollaboration mit dem Kollektiv Grupa Ee bewegen sich seine Arbeiten zwischen Design und künstlerischer Intervention. Es handelt sich hier um eine berühmte optische Täuschung, die erstmals 1898 beschriebene Café-Wall-Illusion. Was ist das bitte genau? Die Café-Wall-Illusion ist eine visuelle Wahrnehmungstäuschung, bei der Rechtecke trapezförmig erscheinen. Es geht hier auch um Farbillusionen, geometrische Illusionen. In all diesen Fällen scheint unser Sehvermögen falsche Annahmen des Sehreizes zu treffen. Optische Täuschungen beruhen auf der Tatsache, dass die Wahrnehmung subjektiv ist und vom Gehirn beeinflusst wird.


Zur Parallelausstellung in HALLE FÜR KUNST (ehemaliges Künstlerhaus) sah ich mir die Ausstellung eines afroamerikanischen Künstlers_innen Kevin Jerome Everson und Doreen Garner an. Es ist ein Blick auf den politischen Diskurs in den USA aber im speziellen auf das Leben von Afroamerikaner_innen in der Vergangenheit und im Hier und Jetzt an.
Doreen Garner (*1986 Philadelphia, lebt in New York) stellt in ihrer Ausstellung Steal, Kill and Destroy: A Thief Who Intended Them Maximum Harm den Versuch dar, die Erniedrigung des schwarzen Körpers und die tatsächlich gelebte Erfahrung schwarzer Menschen. Betrachtet man die Arbeiten der Künstlerin, sieht man Fleischbrocken, ein anderes Objekt zeigt einen geöffneten Schlund, wo auf der Seite der Schaum heruntertröpfelt, es sieht ekelerregend aus. Die Werke zeigen nicht nur die Schrecken der Vergangenheit der Weltbevölkerung auf, sondern zeigen auch klar auf, dass auch heute die Disparitäten zwischen einer privilegierten, mobilen weißen Mehrheit und einer farbigen, ökonomisch schwachen Minderheit fatale Wirkungen, vor allem auf die Schwarzen haben.


Kevin Jerome Everson: Der Experimentalfilmemacher war im Norden von Chile und richtete gegen 19:22 Uhr Ortszeit seine Kamera gen Himmel. Die Arbeit CONDOR 2019 (benannt nach dem Greifvogel) nimmt den kompletten Hauptraum der HALLE FÜR KUNST Steiermark ein. Es war die Entscheidung des Künstlers, die Finsternis mit einem Schwarz-Weiß-Film festzuhalten. Es sollte die Sensibilität für das essenzielle Wesen der Dinge widerspiegeln. In dem Film zeigt er, wie sich der Mond vor die Sonne schiebt, und man nur mehr einen weißglühenden Ring sieht und das minimalistische Bild, auf das man blickt, könnte für ein paar Sekunden vieles wiedergeben, den danach erscheint die Wand als komplett Weiß. Sollte es folgendes interpretieren? Die weiße Macht gegenüber der schwarzen Bevölkerung? Nein, es war am 2. Juli 2019 ein astronomisches Ereignis in der Region, dass rund um den Südpazifik zu beobachten war.



Das berühmte musikprotokoll 2021 vom „steirischen herbst“ findet dann ab 7.10. bis 10.10.2021 an verschiedenen Orten in der Stadt statt.
Es gibt noch einiges zu sehen, klinken Sie sich einfach ins Programm ein: https://www.steirischerherbst.at/de/
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