„Erwin Wurm im Kaiserpark – Zwischen Knackwurst, Konsumkritik und Kopfverlust“

Erwin Wurm Ausstellung in Bad Ischl im Kaiserpark / „Was bleibt vom Menschen, wenn der Kopf fehlt – und der Anzug sitzt?“ Foto: © Christa Linossi 2025

Vom Pixner-Konzert zur Wurm-Ausstellung – ein Szenenwechsel zwischen Klang und Skulptur.

Die Kaiservilla – einst Ort imperialer Gravitas – heute Bühne für Erwin Wurm, den Meister der Verdrehung. Skulpturen, die aussehen wie Möbel mit Burnout. Autos, die sich schämen, weil sie zu viel PS haben. Ein Pullover, der mehr Persönlichkeit hat als mancher Besucher.

Ich spazierte mit einem Schmunzeln durch den Park, betrachtete die Werke mit einem Augenzwinkern – surreal, schräg, charmant verstörend. Man muss sich auf Wurms Kunst einlassen. Schon die ersten Skulpturen begrüßen die Besucher:innen mit einem fröhlichen „Hurra, ich bin eine Wurm-Skulptur!“ – etwa die „Knackwurst“, einmal in Gold, einmal in Schwarz. Unverkennbar Wurm, aber nicht genießbar.

Weiter hinten: ein kopfloses Model, sichtbar nur die Beine, darüber ein kartonartiges Hemd gestülpt. „Box People“ nennt Wurm diese eingekleideten Kuben auf zwei Beinen – seine Auseinandersetzung mit Kleidung als zweite Haut, als Hülle mit Doppelfunktion. Immer wieder taucht Rosarot auf. Warum? Ich habe das Rätsel noch nicht gelöst.

„Ein Hemd geht spazieren – der Mensch bleibt zurück“ Erwin Wurm Ausstellung im Kaiserpark / Foto: © Christa Linossi 2025

Eine weitere Skulptur – zugleich faszinierend und verstörend – ist eine Hommage an Auguste Rodin. Der französische Bildhauer soll einst den Gipsmantel von Honoré de Balzac über dessen Tonplastik geworfen haben, um sie vor dem Austrocknen zu schützen. Wurm nimmt diese Anekdote als Ausgangspunkt für eine kritische Reflexion über die Modebranche und das bildhauerische Potenzial von Kleidung – ein Thema, das ihn seit den 1990er Jahren begleitet.

„Hommage an Honoré de Balzac – Rodins Versuch, den Schriftstellerkörper zu formen“ Erwin Wurm Ausstellung im Kaiserpark in Bad Ischl / Foto: © Christa Linossi 2025

Besonders spannend: ein klassisches Vorstadthaus mit rotem Ziegeldach in Sattelbauweise. Die begehbare Plastik mit Videoprojektion gehört zu den „Fat Sculptures“, die Konsumgesellschaft und kleinbürgerliche Statussymbole hinterfragen. Im Inneren verformen sich Fenster und Eingang zu Augen und Mund, bevor das Haus – mit der Stimme des Kunsthistorikers Renee Gadsden – beginnt, seine Funktion und Ästhetik in Frage zu stellen.

Ich selbst sah darin ein Sahnetörtchen mit rotem Dach, das sich in die Landschaft kuschelt. Zwei kopflose Skulpturen in zuckerlrosa Anzügen nähern sich dem Haus. Wollen sie es besitzen? Daran naschen? Die Szene lässt der Fantasie freien Lauf – und passt, so absurd es klingt, wunderbar in die Umgebung.

Auch Beine mit Koffer und Tasche waren zu sehen – comichaft auf den ersten Blick, gesellschaftskritisch auf den zweiten. In der Modewelt verraten Schuhe und Handtasche viel über Status und Zugehörigkeit. Wurm spielt mit diesen Codes, entlarvt sie.

„Drei Taschen, kein Ziel – Gepäckstücke auf der Suche nach Bedeutung“ Erwin Wurm Ausstellung im Kaiserpark Bad Ischl / Foto:© Christa Linossi 2025

Im Marmorschlössl gab es weitere Skurrilitäten. In den Stallungen: ein Haus als Schule, entstanden als Pendant zum „Narrow House“. Es steht für Erziehung durch Staat und Gesellschaft – eng, normierend, formend.

Zum Abschluss: ein Sportwagen, der sich wie ein Nilpferd niederlegt. Davor ein Rasenroboter, der emsig seine Kreise zieht, damit das Fahrzeug eine perfekte Fahrbahn hat. Wurm eben – absurd, pointiert, entlarvend.

„Ein Auto wird zum Nilpferd, ein Roboter zum Gärtner – surrealer Alltag im Skulpturenpark“ Erwin Wurm Ausstellung im Kaiserpark in Bad Ischl / Foto: © Christa Linossi 2025

Eine Ausstellung wie ein Spaziergang durch die surrealen Seitenkammern unserer Gegenwart – schräg, verspielt, manchmal verstörend, aber stets mit einem Lächeln im Gepäck. Zwischen Taschen ohne Ziel, Häusern mit pädagogischem Anspruch und Autos, die Nilpferde spielen, entfaltet sich ein Parcours der Verwandlungen.

Was hätte der Kaiser dazu gesagt? Vielleicht ein höflich-erstarrtes „Interessant“, während Sissy sich heimlich in die pinken Raumanzüge geschlichen hätte – auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Protokoll. Ich hingegen verlasse die Ausstellung mit einem leisen Schmunzeln und dem Gefühl, dass Kunst manchmal einfach nur da ist, um uns aus der Spur zu bringen – und das ist gut so.

Die Ausstellung läuft noch bis 30. Oktober 2025 im Kaiserpark Bad Ischl. Wer sich auf Wurm einlässt, wird belohnt – mit Irritation, Erkenntnis und einem Lächeln.