
Mit den Skulpturen von Tony Cragg, in Kooperation mit Thaddaeus Ropac, zeigt die Residenzgalerie Salzburg in den Prunkräumen der Residenz eine Ausstellung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Schon damals erhielten herausragende Künstler Aufträge von den Salzburger Erzbischöfen – ihre Werke prägen die Räume bis heute. Auch sie mussten sich mit vorhandenen künstlerischen Ausdrucksformen auseinandersetzen. In dieser Tradition begegnet auch Tony Cragg dem bedeutungsvollen Ort mit Respekt und kreativer Neugier.
Zeitgenössische Kunst im historischen Kontext eröffnet neue Perspektiven. In den Prunkräumen der Residenz entfalten Craggs Arbeiten eine besondere Resonanz. Sie treten in Dialog mit Architektur und Ausstattung. Diese haben seiner Kunst unmittelbare Impulse verliehen.

Besonders fasziniert haben mich die fünf Köpfe (Untitled, 2019) aus Travertin-Stein. Betrachtet man diese aus Marmor anmutenden Blöcke, erkennt man je nach Blickwinkel einen anderen Ausdruck. Craggs Skulpturen muss man in Ruhe umrunden. Aus einer Position zeigen sie Gesichter und Körper. Aus einer anderen Position wirken sie wiederum wie abstrakte Formen, die an Schwämme oder andere Naturstrukturen erinnern.



Auch andere Werke laden zur Entdeckung ein: Etwa „Level Surface“, eine rosa getönte Skulptur, die auf einem 3D-Modell eines Prunkraum-Tisches basiert. Sie ist Craggs erste Arbeit mit einem 3D-Scanner und verströmt trotz ungewöhnlicher Form eine stille Eleganz.

Die Skulptur „Rem“, gefertigt aus patinierter weißer Bronze, greift die Form einer traditionellen afrikanischen Kopfstütze auf. In aufgestapelter Komposition entsteht ein neues Bild – fast wie verzerrte Buchstaben einer fremden Sprache.

Cragg verwendet vielfältige Materialien wie Holz, Glas und Kunststoff. Seine Werke wirken wie sichtbare Energie, basierend auf einem künstlerischen Konzept, das aus den Naturwissenschaften abgeleitet ist.
Bei der jüngsten Pressekonferenz (Juli 2025) präsentierte sich Tony Cragg nicht nur als Bildhauer. Er trat auch als leidenschaftlicher Denker über Kunst auf. Er sprach über die Gesellschaft und die Rolle des Einzelnen im kreativen Prozess. „Wer ist der schönste Mensch?“ – mit dieser provokanten Frage eröffnet Cragg eine Debatte über Identität und Wert. Seine Sprache, wie seine Skulpturen: roh, fragmentarisch, vielschichtig – und gerade deshalb voller Ausdruckskraft.
Für Cragg ist Kunst stets auch politisch. Sie steht nicht losgelöst von gesellschaftlichen Fragen, sondern spiegelt Positionen zu Umwelt, Menschenrechten und Gleichstellung wider.
Für mich ist Kunst wie ein Inselchen im Gehör, ein Bild aus Staub auf den Fingern, eine Melodie aus Material und Bedeutung. Sie zeigt nicht nur, was ist – sondern auch, was sein könnte. Jede Form, jedes Zeichen öffnet ein Fenster zur Welt und macht Kultur als lebendiges Experiment erfahrbar.
„In einer Welt, die ständig Form verliert und neue sucht, zeigen Craggs Skulpturen uns: Auch das Flüchtige hat Gewicht – und das Fragmentierte seine eigene Wahrheit.“
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